«Wir sind sehr nah an der Bevölkerung und nehmen die Bedürfnisse auf»

Am kommenden Montag entscheidet der Einwohnerrat, ob Reinach den Schulrat behält oder die Kompetenzen an den Gemeinderat übergehen. Die zuständige Gemeinderätin Béatrix von Sury (Die Mitte) erklärt im Interview, weshalb die Abschaffung des Schulrats der logische Schritt wäre.

Könnte auch gut mit einem Schulrat leben: die für das Ressort Bildung zuständige Gemeinderätin Béatrix von Sury.Foto: Tobias Gfeller

Frau von Sury, die grüne Einwohnerrätin Katrin Joos sprach an der Einwohnerratssitzung im Oktober davon, dass die Vorlage zur Abschaffung des Schulrats ihr Verständnis von Demokratie «arg strapazieren» würde. Ein heftiger Vorwurf. Was entgegnen Sie dem?

Dieser Vorwurf stimmt einfach nicht. Der Gemeinderat ist genauso wie der Schulrat demokratisch gewählt. Dazu kommt, dass es wohl keinen anderen Bereich in der Politik gibt, der so überreglementiert ist wie die Bildung. 85 Prozent sind gesetzlich vom Landrat ­vorgegeben. Die verbleibenden Kompetenzen betreffen unter anderem die Wahl der Schulleitung, was auf Primarstufe in den letzten Jahren seltener vorkommt, die Bestimmung des Schulprogramms und das Beschwerdewesen. In gewissen Themenbereichen hat der Einwohnerrat das letzte Wort, sobald die Finanzen ins Spiel kommen. Es sind wichtige Punkte, aber es ist längst nicht so, dass der Gemeinderat dann alles bestimmen kann.

Es käme zu einer «Machtkonzentration» beim für Bildung verantwortlichen Gemeinderatsmitglied. Stimmt das nicht?

Nein. Der Gemeinderat entscheidet als Gremium. Die Mehrheit bestimmt. Jedes Mitglied muss alle Geschäfte vor der Beratung und Abstimmung kennen. Das erwarte ich von einem Gemeinderat. Es ist auch nicht so, dass die jeweilige Partei des zuständigen Gemeinderatsmitglieds über die Schulen bestimmen wird. Der Gemeinderat macht Sachpolitik und nicht Parteipolitik.

Was wären die Vorteile des Gemeinderatsmodells im Vergleich zum heutigen Schulratsmodell als Führungsstruktur für die Primarstufe Reinach?

Die Situation ist in Reinach im Vergleich zu den meisten anderen Baselbieter Gemeinden schon heute eine andere. Durch die Reinacher Reform mit dem Strategischen Sachplan und dem Globalbudget wurde peu à peu die Schulleitung der Primarstufe in die Verwaltung der Gemeinde integriert. Dadurch gab der Schulrat bereits gewisse Kompetenzen an den Gemeinderat ab. 95 Prozent des Budgets für die Schulen werden schon heute vom Gemeinderat beantragt und anschliessend vom Einwohnerrat beschlossen. In Reinach sind wir bereits heute nahe am Gemeinderatsmodell. Drei Viertel des Weges haben wir damit schon beschritten. Den Weg ganz zu gehen, wäre deshalb nur logisch. Ich bin auch überzeugt, dass es inhaltlich Vorteile hätte, weil der Gemeinderat im Vergleich zum Schulrat schon von Amtes wegen einen grösseren Gesamtblick über die Gemeinde hat. Ich möchte auch klarstellen, dass dies kein Thema ist, das wir gesucht haben. Es ist der klare Auftrag des Landrats, dass alle Gemeinden ihr Führungsmodell über die Primarstufe prüfen müssen. Das haben wir als Gemeinderat getan.

In vielen Gemeinden, in denen die Bevölkerung den Schulrat beibehalten will, wird gesagt, der Schulrat sei im Vergleich zum Gemeinderat näher bei der Bevölkerung und den Schulen. Das ist nicht von der Hand zu weisen.

Ich sehe das nicht so. Wir sind sehr nah an der Bevölkerung und nehmen die Bedürfnisse auf. Dafür sind wir gewählt. Ob an offiziellen Anlässen der Gemeinde, von Vereinen oder auch sonst im Alltag  – man kann uns ansprechen und wir hören zu. Es kann sein, dass beim Gemeinderat eher eine Hemmschwelle besteht. Aber diese ist völlig unbegründet. Den Austausch mit den Schulen erlebe ich als eng. Ich habe diesbezüglich also keine Bedenken. Viele Gemeinden beneiden Reinach wegen der sehr gut funktionierenden Schulen.

Gemäss Voten im Oktober wird der Einwohnerrat für die Beibehaltung des Schulrats stimmen. Ein Problem für Sie?

Wird der Schulrat beibehalten, wäre dies für uns überhaupt kein Problem. Wir arbeiten sehr gut mit dem Schulrat zusammen. Es ist eine sehr wertschätzende Zusammenarbeit. Man muss aber bedenken, dass es neu drei Schulräte für die Sekundarstufe, die Primarstufe und die Musikschule braucht. Heute haben wir einen Schulrat für alles. Es wird nicht einfach, genügend Mitglieder zu finden.

Gemäss Landratsvorgabe müssen alle Gemeinde bis zum 31. Dezember 2023 einen Entscheid gefällt haben. In Reinach wird dies zeitlich nicht reichen, weil es aufgrund der Änderung der Gemeindeordnung sowieso eine Volksabstimmung braucht. Wieso sind Sie so spät dran?

Es kam bei verantwortlichen Mitarbeitenden auf der Verwaltung unter anderem zu krankheitsbedingten Ausfällen. Das hat zu den Verzögerungen geführt.

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