Mehr als Schwarz und Weiss: Ina Kunz erforscht die Zwischentöne
Zu ihrem 85. Geburtstag zeigt die Reinacher Künstlerin Ina Kunz Bilder, die ihren Ausdruck in den Zwischentönen finden. Morgen Freitag findet die Vernissage statt.
Eine Herausforderung sei es gewesen, ein Bild zu gestalten, dass zwar so weiss wie möglich, aber eben doch nicht ganz weiss sei, sagt die Reinacher Künstlerin Ina Kunz. Anlässlich ihres 85. Geburtstags eröffnet sie morgen Freitag mit einer Vernissage die neue Ausstellung «Zwischentöne – beinahe Weiss, fast schon Schwarz». Die 14 Bilder sind teils 2018, teils in diesem Jahr entstanden. «Es handelt sich um geschüttete Bilder», sagt sie bei einem Rundgang durch ihre Ausstellung. Die Technik kam in den 1950er-Jahren in den USA auf – ein früher und bekannter Vertreter dieses Verfahrens ist der 1956 verstorbene Maler Jackson Pollock. «Nach dem Zweiten Weltkrieg haben er wie andere Künstler Trends gesetzt. Sie wollten sich von der rein fotografischen Malerei lösen», erzählt Ina Kunz.
Farbe wird nicht aus einer geführten Bewegung hinaus direkt aufgetragen, sondern auf die Leinwand oder das Papier geschüttet. Indem mehrere Schichten unterschiedlicher Kombinationen aufgeschüttet werden, entstehen Bilder, die Interpretationsspielraum zulassen. Dabei spielt es eine Rolle, wie die Technik ausgeführt wird – so ergeben sich etwa grossflächige Abstraktionen oder eben Bilder mit detailreichen Tiefenstrukturen. Wie lange sie an einem Bild arbeite? «Das ist höchst unterschiedlich. Der Vorteil bei dieser Technik ist, dass die Farbe, nachdem sie aufgeschüttet worden ist, erst trocknen muss, bevor es weitergeht. Das hilft, Abstand zu gewinnen und auf neue Ideen zu kommen.»
Dynamik zwischenSchwarz und Weiss
Einerseits beziehen sich die titelgebenden Zwischentöne auf die Optik der Bilder, sind sie farblich doch nie ganz zuzuordnen. Der Name der Ausstellung habe aber auch einen philosophischen Aspekt, wie Ina Kunz sagt, und sie zitiert, um dies zu veranschaulichen, den Kunstschaffenden Nemo. In einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» sagte Nemo: «Eine Sache hat mir im letzten Jahr schon zu denken gegeben: Dass wir – auch ich! – immer stärker in Schwarz-Weiss denken. Wir teilen die Welt in Gut und Böse, in Heldinnen und Bösewichte, und lassen keinen Platz für Zwischentöne.»
Eben diesen Zwischentönen will Ina Kunz mit ihren Bildern einen Raum geben. «Die Bilder bewegen sich in der Polarität zwischen Schwarz und Weiss, was eine ganz eigene Dynamik ergibt. Man kann vor dem Bild stehen und sich fragen: Was sehe ich auf dem Bild? Aber auch: Was sehe ich über dieses Bild in mir selbst?»
Mit ihren 85 Lenzen strahlt Ina Kunz eine Begeisterung aus, die ansteckend wirkt. Wer ihr zuhört, sollte bei wachem Verstand sein, redet sie doch schnell, springt von einem Gedanken zum nächsten. «Was soll ich denn sonst machen? Kochen?», sagt sie über ihre Motivation, stets weiterzumachen. Und fügt hinzu: «Ich bin ein Sehmensch, viel gereist und berührt von dem, was ich auf der Welt sehe und wahrnehme. Das verarbeite ich in der Kunst.»
Selbst Kriegskind, sammelt Kunz heute Geld für die Ukraine
Kunz wurde 1940 in Wuppertal geboren. Ihre künstlerische Ausbildung erfolgte an der Werkkunstschule Wuppertal und an der Schule für Gestaltung Basel. Seit den 1990er-Jahren stellt sie ihre Werke im In- wie im Ausland aus. 1965 zog sie nach Reinach, wo sie 2010 den Ausstellungsraum «AU6 – Raum für Kunst Reinach», in welchem auch ihre aktuelle Ausstellung zu sehen ist, eröffnete. 2012 erhielt sie den Spartenpreis für Kultur in Reinach, 2021 den Kulturpreis der Gemeinde. Ina Kunz sammelt übrigens im Rahmen ihrer Ausstellungen Geld für die Ukrainehilfe Schweiz. Dazu sagt sie: «Ich war ein Kriegskind. Selbst habe ich nicht Erinnerungen an die Zeit, aber viel von meiner älteren Schwester und meinen Eltern erfahren. Was in der Ukraine und auf der Welt passiert, geht mir ans Herz.»
«Zwischentöne – beinahe Weiss, fast schon Schwarz»; Vernissage: Fr, 13. Juni, 18–21 Uhr; Ausstellung: Sa, 14. Juni, 11–16 Uhr, Sa, 21. Juni, 15–18 Uhr, Sa, 5. Juli, 11–16 Uhr; Finissage: So, 6. Juli, 11–16 Uhr. AU6 – Raum für Kunst Reinach, Austrasse 6.