Widerstand gegen «Südumfahrung light»

Die Baselbieter Baudirektion plant im Süden der Gemeinde Reinach eine Teilumfahrung – Kritiker des Projekts sehen einen Grüngürtel in Gefahr.

Hier plant der Kanton Baselland die Teilumfahrung Reinach: Von der Birsigtalstrasse herkommend, soll die neue Strasse um die Sportzone Fiechten (Bildmitte) führen und zwischen dem südlichen Siedlungsgebiet und Neuhof (Mittelgrund rechts) in die Hauptstrasse Reinach–Aesch münden. Foto: Edmondo Savoldelli

Hier plant der Kanton Baselland die Teilumfahrung Reinach: Von der Birsigtalstrasse herkommend, soll die neue Strasse um die Sportzone Fiechten (Bildmitte) führen und zwischen dem südlichen Siedlungsgebiet und Neuhof (Mittelgrund rechts) in die Hauptstrasse Reinach–Aesch münden. Foto: Edmondo Savoldelli

Kantonaler Richtplan: Die Teilumfahrung würde die Industriezone Kägen entlasten. Plan: zVg

Kantonaler Richtplan: Die Teilumfahrung würde die Industriezone Kägen entlasten. Plan: zVg

Der Kanton kann es nicht lassen», «Dies ist ein Hohn»: Die SP Aesch-Pfeffingen ist derzeit nicht gut auf Sabine Pegoraro zu sprechen. Die Baselbieter Baudirektorin lanciere millionenteure Strassenbauprojekte, klagt die Ortspartei. Dabei habe die Baselbieter Bevölkerung doch klar signalisiert, dass sie diese Strassen gar nicht wolle. Das neueste Vorhaben bedrohe sogar einen Grüngürtel.

Die Strasse, an der sich die SP-Sektion stört, ist die Teilumfahrung Reinach Süd. Der Kanton bringt diese L-förmige Verbindung im jüngsten Richtplan-Entwurf ins Spiel. Die Tangente soll an der südwestlichen Ecke des Reinacher Siedlungsgebiets entlangführen und – so die Überlegung der kantonalen Planer – das Ortszentrum entlasten (siehe die Karte auf Seite 2). Künftig würden dann etwa Therwiler, die auf die Autobahn A18 gelangen wollen, die Umfahrung benutzen, anstatt Reinach durch die viel befahrene Bruggstrasse zu durchqueren. Laut dem Entwurf Anpassung 2017 des Kantonalen Richtplans (KRIP) verläuft die Tangente von der Birsigtalstrasse zur Sportzone Fiechten, biegt dort nach links ab und mündet beim Neuhof in die Hauptstrasse Reinach–Aesch. Der Kanton schätzt die Kosten für die Strasse auf 20 Millionen Franken. Realisiert werden könnte sie innerhalb von 5 bis 15 Jahren. Vorerst hat die Sicherung des Trassees Vorrang.

Das Problem ist laut SP: Die Strasse würde das ökologisch wertvolle Gebiet zwischen Reinach und Aesch zerstören. Zurzeit befindet sich die Richtplan-Anpassung in Vernehmlassung. Die SP-Ortssektion verlangt in ihrer Antwort, dass die Teilumfahrung ersatzlos gestrichen wird. Die Frist läuft morgen Freitag aus.

Heikles Terrain

Dass die Ebene zwischen Reinach und Aesch heikles Terrain ist, diese schmerzliche Erfahrung musste bereits der Basellandschaftliche Kantonal-Schwingerverband machen: Er wollte auf dem Areal das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2022 durchführen. Doch die betroffenen Landbewirtschafter legten ihr Veto ein. Auch Umweltschützer wehrten sich gegen den Anlass. Die Schwinger gaben klein bei – und zügelten das «Eidgenössische» nach Pratteln.


Keine Freude an den Plänen des Kantons hat auch Christian Schürch, der Pächter des Neuhofs. Die Strasse würde quasi seinen Vorgarten zerschneiden. «Das ist eine Idee, die nur am Schreibtisch entstanden sein kann», sagt Schürch zum «Wochenblatt». «An dieses Projekt sollte man keinen einzigen Gedanken verschwenden: Es ist chancenlos.»

Keine Umfahrung, kein öV-Korridor

Ein Befürworter der Strasse ist Melchior Buchs. Der neu gewählte Reinacher Gemeindepräsident schreibt, dass die Tangente notwendig sei, um die Bruggstrasse zu entlasten. Sie bilde die zentrale Achse durch das boomende Gewerbegebiet Kägen. Zwischen Reinach und Dornach sei gemäss Raumkonzept Birsstadt ein neuer öV-Korridor vorgesehen, auf dem sogar ein Tram verkehren könnte. Laut Buchs ist «eine effiziente, leistungsstarke öV-Verbindung auf der Bruggstrasse nur möglich, wenn diese vom Tangentialverkehr entlastet wird. Diese Entlastung soll die Teilumfahrung bringen.» Der Reinacher Gemeinderat favorisiere aber eine Tunnellösung für die Tangente, «in Würdigung der Interessen von Landschaft und Erholungsraum und dem Schutz vor Verkehr für das Quartier Fiechten.»


Gerda Massüger, Präsidentin von kmu Reinach, schätzt das Entlastungspotenzial der Teiltangente als gross ein. Der Kägen werde in den nächsten Jahren nochmals stark wachsen, die Zahl der Arbeitsplätze steige. «Wenn der Transitverkehr wegen der Teilumfahrung nicht mehr durchs Kägen-Gebiet fährt, ist das zu begrüssen», sagt Massüger. Sie betont jedoch auch, dass der Reinacher Gewerbeverein keine Vernehmlassungsantwort einreiche.

«Planungsleiche» reaktiviert

Jan Kirchmayr, Präsident der SP Aesch-Pfeffingen, sagt, dass die Vorhaben der Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD) dem Willen des Stimmvolks widersprächen. Es habe im November 2015 ELBA (Entwicklungsplanung Leimental-Birseck-Allschwil) deutlich abgelehnt. «Es ist stossend, dass man dieses klare Votum einfach übergeht und nur zweieinhalb Jahre danach die Ebene schon wieder zubetonieren will.» Die Umfahrung würde, befürchtet der SP-Landrat, den Grüngürtel zerstören und das Ökosystem massiv beeinträchtigen. «Dabei spielt es keine grosse Rolle, ob die Strasse ober- oder unterirdisch geführt wird.»


Von einer «Südumfahrung light» spricht Kirchmayr. Er verdächtigt die Baudirektion, sie wolle eine «Planungsleiche» reaktivieren, einfach scheibchenweise. Die Südumfahrung war ein Autobahnring, den die beiden Basel ab Ende der 1960er-Jahre lancierten. Die vierspurige Autobahn hätte von der A18 bei Reinach/Aesch über das Leimental bis nach Allschwil geführt. Das Projekt scheiterte aber am Widerstand aus der Bevölkerung. Die BUD schreibt auf der Projektseite zu ELBA, zwar habe das Stimmvolk 2015 zwei Landratsbeschlüsse zu ELBA abgelehnt, nicht jedoch ELBA als Ganzes. Deshalb sei das Nein an der Urne «nicht mit einem Planungsstopp für jegliche Verkehrsvorhaben gleichzusetzen.» Wenige hundert Meter südlich der angedachten Teiltangente Reinach wurde bereits mit dem Bau neuer Strassen begonnen. Es sind dies die Zufahrten zum neuen A18-Vollanschluss Aesch. Der Baselbieter Kantonsingenieur fordert aber weitere spruchreife Projekte im Bezirk Arlesheim. In der jüngsten Ausgabe des «Standpunkts der Wirtschaft», dem Verbandsorgan der Wirtschaftskammer Baselland, lässt sich Drangu Sehu zitieren: «Wir müssen mit der Projektierung dringend hochfahren.»

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