Viel Ratlosigkeit beim Umgang mit Social Media

Anlässlich eines Vortrags zum Thema Pubertät zeigte sich: Digitale Medien konfrontieren Eltern und Jugendliche mit einer komplexen Situation.

Digital verunsichert: Die rasanten Veränderungen im Bereich Kommunikation stellen bisherige Erziehungsmethoden 
vor grosse Herausforderungen. Symbolbild: Pixabay.com
Digital verunsichert: Die rasanten Veränderungen im Bereich Kommunikation stellen bisherige Erziehungsmethoden vor grosse Herausforderungen. Symbolbild: Pixabay.com

Unter dem Titel «Zämme durch d Pubertät» hatte das Forum «Reinach redet» am vergangenen Donnerstag in die Aula der Sekundarschule Reinach eingeladen. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt – das Bedürfnis junger Eltern, sich Rat und Unterstützung zum Thema zu holen, Austausch mit Experten und anderen Eltern zu suchen, schien gross. Als Referentin hatte «Reinach redet» Ina Blanc vom Basler Zentrum für Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie (Zepp) eingeladen. Zur Einstimmung bat die Kinder- und Jugendpsychologin Zuhörerinnen und Zuhörer, Gedanken zur eigenen Pubertät auf Zetteln zusammenzutragen. Die eingereichten Voten reichten von «emotionaler Achterbahnfahrt» über «Briefkasten in die Luft sprengen» bis hin zu «Zigaretten klauen». Die Referentin gab gekonnt einen Überblick über die Themen, welche die Pubertät sowie die Beziehung zwischen Eltern und Jugendlichen während dieser Lebensphase ausmachen. «Eine offene, interessierte Haltung der Eltern gegenüber ihren Kindern ist zentral», ­sagte Blanc. Und sie warb um Verständnis für die überschiessenden Emotionen der Jugendlichen ­einerseits sowie für ihre scheinbare Trägheit andererseits: «Das Gehirn verändert sich während der Adoleszenz sehr stark, und nicht jeder Teil entwickelt sich gleich schnell. Man weiss, dass Jugendliche eine sehr viel stärkere Stimulation brauchen, um aktiv zu werden. Deshalb suchen junge Menschen oft nach Grenzerfahrungen.»

Freiraum mit Regeln

Ab einem gewissen Alter nehme die Wirksamkeit von Verboten ab, stattdessen werde die Vorbildfunktion der Eltern immer wichtiger: «Man sollte den Kindern vorleben, was man für richtig hält. Dabei ist es auch sinnvoll, Emotionen zu zeigen oder über Unsicherheiten zu sprechen. Je älter die Kinder werden, desto mehr wird ihnen klar, dass auch die Eltern nicht perfekt sind.» Es sei sehr wichtig, den Jugendlichen Raum zu lassen, dies aber mit gewissen Regeln zu verknüpfen – konkretes Beispiel: «Dein Zimmer gehört dir. Unter der Bedingung, dass einmal die Woche aufgeräumt wird.» Ina Blanc habe bei Konfliktsituationen oft eine Fokussierung auf das Negative beobachtet: «Es scheint mir wichtig, gerade in schwierigen Situationen immer auch positive Aspekte zu betonen.»

Erst gegen Ende des Vortrags wurde offensichtlich, was den Eltern der heutigen Jugend ganz besonders auf den Nägeln brennt. Schlug die Referentin das Thema «digitale Medien» an, meldeten sich ­Eltern zu Wort und klagten ihr Leid: «Ich habe versucht, die Bildschirmzeit meiner Kinder einzuschränken, um dann zu merken, dass das gar nicht möglich ist. Die Kinder werden doch schon in der Schule dazu gebracht, digitale Medien zu nutzen», sagte eine Mutter.

Digitale Medien haben Suchtpotenzial

Auch Blanc äusserte sich dazu sehr kritisch, betonte immer wieder, dass selbst für sie das Thema mit grosser Unsicherheit verbunden sei: «Digitale Medien haben beim Menschen eine grosse Tendenz zur Sucht. Ein Alkoholiker kann von heute auf morgen beschliessen, keinen Alkohol mehr zu trinken. Bei ­digitalen Medien ist das leider nicht möglich.» Vorschläge von Experten, die Bildschirmzeit auf sieben Stunden die Woche zu beschränken, beurteilte das Publikum als unrealistisch. «Diese exzessive Nutzung von Smartphones oder Tablets hat nicht nur massive Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung, ­sondern auch auf die Sehkraft», so ein weiteres Votum.

Es wurde offensichtlich: Geht es um digitale Medien, stossen zwischenmenschliche Beziehungen an ihre Grenzen. Eine Grossmutter, die sich unters Publikum gemischt hatte, sagte zudem: «Neulich sah ich zwei Kinder mit Spielsachen auf der Strasse. Ich habe mich riesig gefreut. Denn so etwas sieht man heute kaum mehr.»

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