Sparen alleine reicht nicht: Gemeinderatbeantragt saftige Steuererhöhung
Der Steuerfuss für natürliche Personen soll gleich um 4 Prozentpunkte erhöht werden. Nur so könne das strukturelle Defizit nachhaltigverbessert werden.

Reinach blickt finanziell schwierigen Zeiten entgegen. «Die finanzielle Lage ist ernst», mahnte Gemeindepräsident Ferdinand Pulver (FDP) am Montag im Einwohnerrat. Das Problem kennen viele Gemeinden, Reinach aber sogar in gravierendem Ausmass: Die Ausgaben wachsen stärker als die Einnahmen. Zwar reagierte der Gemeinderat mit Sofortmassnahmen und Ankündigungen für weitere Sparmassnahmen auf die tiefrote Jahresrechnung 2024, doch mit Sparen alleine sei es nicht getan, schreibt der Gemeinderat im Jahres- und Entwicklungsplan 2026 bis 2030. Deshalb beantragt der Gemeinderat eine Erhöhung des Steuerfusses für natürliche Personen um gleich 4 Prozentpunkte auf 58,5 Prozent. Damit hätte Reinach den vierthöchsten Steuerfuss im Bezirk Arlesheim.
Gemeindepräsident Pulver machte klar: «Es handelt sich nicht um eine Momentaufnahme.» Es brauche jetzt «substanzielle Massnahmen» auf der Ein- und der Ausgabenseite. Bis Ende Jahr soll die vom Gemeinderat erarbeitete Finanzstrategie vorliegen. Um nicht nochmals ein Jahr zu verlieren, währenddessen die Verschuldung weitersteige und noch höhere Sparmassnahmen nötig würden, beantragt der Gemeinderat schon jetzt die Steuererhöhung. Pulver bezeichnete diese als «unvermeidlich».
4 Prozent für 4 Millionen Franken
Ein Blick auf das Budget für das kommende Jahr zeigt, weshalb: Der Gemeinderat plant für 2026 bei Gesamtausgaben von rund 119 Millionen Franken mit einem Defizit von 2,8 Millionen Franken. Die beantragte Steuererhöhung ist darin bereits mit eingerechnet. Eine Erhöhung des Steuerfusses um 4 Prozentpunkte würde das Gemeindebudget um jährlich 4 Millionen Franken entlasten. Das Ziel müsse sein, so Pulver, den Gemeindehaushalt wieder ausgeglichen zu gestalten, die Verschuldung zu senken und so wieder mehr Handlungsspielraum zu erlangen.
Einwohnerräte fordern mehr Sparbemühungen
Im Parlament kam der Antrag für eine Steuererhöhung gemischt an. Markus Christen (Die Mitte/GLP/Salz) äusserste als Präsident der Planungskommission (Plako) Verständnis für die Vorschläge des Gemeinderats, stellte aber auch klar: «Alte Zöpfe und Begehrlichkeiten müssen abgelegt und zurückgestellt werden.» Sonst könnte das Eigenkapital bereits 2029 aufgebraucht sein. Von den Fraktionen erhielt der Gemeinderat für die beantragte Steuererhöhung nur gerade von der SP und der Fraktion Die Mitte/GLP/Salz konkreten Rückhalt. SP-Sprecher Mikula Thalmann plädierte für einen Kompromiss aus Sparen und Steuererhöhung und sieht das vorgelegte Budget als «Schritt in die richtige Richtung». Die FDP-Fraktion beantragte eine Erhöhung des Steuerfusses um nur 2 Prozentpunkte. Die dadurch entstehenden Mehreinnahmen entsprächen etwa den bisher beschlossenen Sparmassnahmen. Nach diesem Prinzip wolle die FDP vorgehen, sagte deren Sprecher Thierry Bloch.
SVP, Grüne und Therese Stalder vom Rynacher Salz wollten von einer Steuererhöhung nichts wissen. Es gäbe noch viel Potenzial für Sparbemühungen. «Die letzte Steuererhöhung hatten wir vor vier Jahren. Viel passiert ist seitdem nicht», kritisierte SVP-Sprecher Ronny Ankli und äusserte sich besorgt um den Mittelstand, der mit steigenden Krankenkassenprämien und der grundsätzlichen Teuerung schon so genug zu kämpfen habe. Mit einem Steuerfuss von 58,5 Prozent wäre Reinach als Wohnort nicht mehr attraktiv, befürchtet Ankli. Die SVP wolle zuerst die Finanzstrategie des Gemeinderats abwarten, bevor sie über eine Steuererhöhung diskutiert. Über die Anträge zum Jahres- und Entwicklungsplan und über die beantragte Steuererhöhung entscheidet der Einwohnerrat an seiner nächsten Sitzung am 15. Dezember.
Zum Ende der Einwohnerratssitzung gab Lucio Sansano (FDP) nach fünfeinhalb Jahren seinen Rücktritt aus dem Rat bekannt. Der vielseitig engagierte Jungpolitiker übernimmt das Präsidium einer eidgenössischen Initiative.


