Klaus Endress: «Innovation ist Fortschritt, der sinnvoll ist»

Wie kaum ein anderes Unternehmen prägt die Endress+Hauser-Gruppe die Wahrnehmung der Wirtschaft in Reinach. Im Vorfeld zum Tag der offenen Tür am 24. August hat das «Wochenblatt» mit Klaus Endress gesprochen.

Nie ohne Fliege: Der Unternehmer Klaus Endress kann zu Recht als eine der wichtigen Persönlichkeiten der Region gelten.  Foto: ZVG
Nie ohne Fliege: Der Unternehmer Klaus Endress kann zu Recht als eine der wichtigen Persönlichkeiten der Region gelten. Foto: ZVG

Thomas Brunnschweiler

Wochenblatt: Herr Endress, hätten Sie sich 1995, als Sie die Leitung des Unternehmens von Ihrem Vater übernahmen, vorstellen können, wo Sie 2013 stehen würden?
Klaus Endress: Über diese Frage habe ich mir damals keine Gedanken gemacht. Es ging darum, das Werk meines Vaters weiterzuführen und der riesigen Verantwortung gerecht zu werden. Da blickt man nicht weit in die Zukunft, sondern auf die nächsten zwei Jahre. Strukturveränderungen und Internationalisierung haben uns geholfen, sodass wir heute in einer beneidenswerten Situation sind und für die Region Bedeutung haben.

Sie sind auf Messgeräte und Dienstleistungen für industrielle Verfahrenstechnik spezialisiert. Trotz schwierigem Umfeld und Finanzkrise haben Sie auch 2012 – wie die zwei Jahre vorher – ein «Best Year» gehabt. So wurde der Umsatz um über 11 Prozent gesteigert. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?
Klaus Endress: Zunächst ist es ein jahrzehntelanges zielgerichtetes Arbeiten von vielen. Man muss aber auch das Richtige tun. Dazu gehört die Vielfalt der Produkte. Unser grosser Warenkorb und die Präsenz auf mittlerweile 125 Märkten rund um die Welt gleichen Schwankungen aus. Im Krisenjahr 2009 hat diese Strategie nicht ausgereicht. Aber wir haben auch in dieser Zeit alle Leute behalten. Die Menschen vertrauen uns. Loyalität spielt für mich eine grosse Rolle.

Wenn man die geografische Verteilung von Umsatz und Mitarbeitern vergleicht, fällt auf, dass Sie zwar die Hälfte des Umsatzes in Europa machen, aber rund 71 Prozent der Mitarbeiter in Europa arbeiten. Können Sie Ihre zukünftige Strategie erklären?
Klaus Endress: Vertrieb und Service müssen da sein, wo die Kunden sind. In der Produktion spielen auch andere Dinge eine Rolle. Die wesentlichen Teile stellen wir in Europa her, weil wir unser Know-how nicht preisgeben wollen. Mit der Endmontage sind wir aber auch in den USA, in China, Indien und Brasilien. So können wir unsere Kunden schnell und flexibel beliefern. Ausserdem verkleinern wir die Währungsrisiken und vermeiden Zollabgaben. Die Arbeitskosten spielen dabei keine Rolle. In China gibt es jährliche Lohnsteigerungen bis zu 15 Prozent. Die Kosten sind dort also bald so hoch wie bei uns. Mit den Preisdifferenzen müssen wir weltweit umgehen. Für werthaltige Produkte ist man auch bereit, einen höheren Preis zu zahlen.

Mit 5300 «lebenden» Patenten und Patentanmeldungen gehören Sie zu den innovativen Firmen der Schweiz. Welche Rolle spielen für Sie Innovation, Ausbildung und Weiterbildung?
Klaus Endress: Als mein Vater mit dem Unternehmen in Lörrach-Stetten begonnen hat, war die betriebsinterne Ausbildung mangels externer Schulungsangebote sehr wichtig. Noch heute haben die in der Firma Ausgebildeten eine eigene Prägung. Sie sind besser ausgebildet. Innovation lässt sich nachweisen, wenn der Kunde «Hurra» schreit und kauft. Ein Fortschritt, der sinnvoll und nachhaltig ist, ist Innovation.

Warum öffnen Sie im Jubiläumsjahr die Türen für die Öffentlichkeit?
Klaus Endress: Endress+Hauser ist ein Name, der in der Region einen hohen Bekanntheitsgrad hat. Aber mit unseren Produkten sind wir nicht konsumnah. Wir wollen zeigen, was wir herstellen und wie wir arbeiten. Nichts ist überzeugender als das, was man selbst gesehen hat - deshalb der Tag der offenen Tür. Wir wollen zeigen, dass Endress+Hauser ein zuverlässiger und verantwortungsvoller Arbeitgeber ist. Wir beschäftigen via die Firma Promonta auch Menschen mit einer Beeinträchtigung und haben die Charta unterschrieben, mit der wir uns zur Integration von Menschen mit Behinderung ins Arbeitsleben verpflichten.

Wenn Sie am Ende des Jahres die operative Führung an ein Nicht-Familienmitglied übergeben und Präsident des Verwaltungsrats werden, stellt sich die Frage: Wie geht es mit dem Familienunternehmen weiter?
Klaus Endress: Mein Nachfolger muss wesentlich jünger sein als ich. Ein guter Chef soll auch lange Chef sein können. Die dritte Generation ist bereit, Verantwortung zu übernehmen, aber beide Kandidaten sind heute noch zu jung und brauchen noch Zeit. Chefs fallen nicht so vom Himmel. Aber wir wollen das Unternehmen in Familienhand behalten.

Nach eigenem Bekunden fällt es Ihnen nicht leicht, sich aus dem operativen Bereich zurückzuziehen. Sehen Sie im Rückzug auch eine Chance? Haben Sie bereits Pläne für die Zukunft?
Klaus Endress: Ich habe neben dem Unternehmen einige Engagements, etwa im Business-Park oder als Vizepräsident des Basler Unirats. Politisch engagiere ich mich seit über 20 Jahren im Einwohnerrat. Ich kann mir vorstellen, für die FDP noch als Gemeinderat zu kandidieren. Zentral für mich ist die Förderung der Bildung. Wenn die Finanzen im Lot und die Bildung garantiert sind, können wir auch sozial sein. Ich engagiere mich auch für Gewaltprävention. Was die Hobbys betrifft, so hoffe ich, mehr Zeit für meine grosse Passion, das Reiten, zu haben - und natürlich für die Familie, das Reisen, das Mountainbiken und den Hund.

Was verbindet Ihre Familie mit Reinach und der Region?
Klaus Endress: Mein Grossvater kam von Deutschland über Schaffhausen in die Schweiz. Alle meine Geschwister sind in der Schweiz zur Welt gekommen. Ich selbst bin in Reinach schon in die erste Klasse gegangen. Viele meiner Familienangehörigen leben in der Gegend. Wir sind hier stark verwurzelt und gut vernetzt. Bis wir von hier weggehen würden, müsste viel passieren!

E+H öffnet am Samstag die Türen
WoB. Das Familienunternehmen Endress+Hauser begeht in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag und lädt deshalb am Samstag, 24. August, von 10 bis 16 Uhr die interessierte Bevölkerung in den Kägen zu einem Tag der offenen Tür ein. Rundgänge durch das «Sternenhof»-Gebäude (Vertrieb und Verwaltung) und die Produktionsstätte Endress+Hauser Flowtec (Fertigung von Durchflussmessgeräten) stehen auf dem Programm. Dazu gibts für Gross und Klein zahlreiche Attraktionen – und niemand muss mit leerem Magen nach Hause gehen.

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