Die mit den Kängurus tanzt

Die bald 80-jährige, fast vollständig taubblinde Doris Herrmann hat ihr ganzes Leben dem Känguru gewidmet, geforscht, Bücher geschrieben und jetzt sogar einen Känguru-Krimi verfasst.

Spürt die Musik: Mit fast 80 Jahren hat sich die gehörlose Doris Herrmann einen Lehrer gesucht und angefangen, Didgeridoo zu spielen. Foto: Jay Altenbach
Spürt die Musik: Mit fast 80 Jahren hat sich die gehörlose Doris Herrmann einen Lehrer gesucht und angefangen, Didgeridoo zu spielen. Foto: Jay Altenbach

Jay Altenbach

Um sich auf das Schreiben eines Krimis vorzubereiten hat Doris Herrmann alle Bücher von Donna Leon gelesen und ihr eigenes Buch der Bestseller-Autorin gewidmet. Lesen ist bei ihr aber nicht der korrekte Ausdruck, denn sie hat die Wörter alle in Brailleschrift mit den Händen ertastet, da sie fast blind ist. Bücher in Blindenschrift können blinde Menschen in der Schweizerischen Bibliothek für Blinde bestellen. Die Bücher sind allerdings etwas grösser und schwerer. Sie eignen sich nicht, um im Bett zu lesen, sondern nur sitzend an einem Tisch.

Auch konnte die umtriebige Rentnerin sogar an einer Lesung von Donna Leon teilnehmen. Ihre Freundin begleitete sie und lormte die gesprochenen Worte in die Hand von Doris Herrmann. Sie ist nämlich nicht nur fast vollständig erblindet, sondern auch gehörlos. Beim Lormen gibt es ein spezielles Alphabet auf der Handinnenfläche und jedes Wort wird in die Hand hinein buchstabiert. Auch beim Gespräch mit dem Wochenblatt ist ihre Freundin Jeannine dabei, die vermittelt und lormt.

Blick fürs Wesentliche
Doris Herrmann schreibt aber nicht nur, sondern hat schon als kleines Kind ihre Liebe zu den Kängurus entdeckt. Jede freie Minute verbrachte sie im Basler Zolli bei ihren Kängurus und pflegte eine Weile sogar eine intensive Beziehung zur Kängurudame Dora. Oft stibitzte sie aus dem elterlichen Keller Gemüse und brachte dieses noch vor der Schule in den Zolli. Da der Kontakt zu gleichaltrigen hörenden Kindern schwierig war, erlebte sie den Kontakt zu allen Tieren umso mehr als beglückend. Wo immer sie sich befand, verband sie sich mit den Tieren und liebte es auch Insekten zu beobachten. Durch ein vermindertes Blickfeld konnte sie sich sehr gut auf das Wesentliche konzentrieren und störende Faktoren ausklammern. Im Selbststudium erwarb Doris Herrmann ein fundiertes Wissen über das Leben der Kängurus und veröffentlichte in den 1970er-Jahren ihre eigenen Forschungsresultate zu deren Verhalten.

Zweite Heimat Australien
1988 verlor sie durch eine Masernerkrankung in Australien ihr Sehvermögen fast gänzlich. Dies hielt sie aber nicht ab, den australischen Kontinent insgesamt 13 Mal zu bereisen. Und zu guter Letzt lernt sie zurzeit auch noch, Didgeridoo zu spielen. Das ist das Musikinstrument der Ureinwohner Australiens, zu denen sie sich sehr hingezogen fühlt. So fragte eine Aborigines-Frau, weshalb sie nicht auf dem australischen Kontinent wohne, sie sei schliesslich eine von ihnen. Dennoch ist Doris Herrmann zurück in die Schweiz gereist, wo sie seit einem Jahr im Seniorenzentrum Aumatt wohnt, werkt, musiziert und jetzt sogar ihren ersten Krimi verfasst hat.

Wer Doris Herrmann live erleben will, kann dies an einer Lesung am 24. November um 17 Uhr im Buch-Café an der Emil-Frey-Strasse 159 in Münchenstein.

Weitere Artikel zu «Reinach», die sie interessieren könnten

Reinach16.07.2025

Knatsch im Gartenbad: «Notwendige» Sparmassnahmen sorgen für Kritik

Um Kosten einzusparen, schnallte Reinach den Gürtel im Gartenbad enger. Nun hagelt es Kritik. Diese sei nachvollziehbar, die Massnahmen aber notwendig: Der…
Reinach09.07.2025

Reinach kündigt Ferienpass

Die Sparmassnahmen treffen auch den Nachwuchs. Für Reinacher Kinder sind die Sommeraktivitäten ab nächstem Jahr nicht mehr gesichert.
Reinach02.07.2025

Nur ein Schulhaus oder auch eine Freizeitanlage?

An einem runden Tisch zu den Lärmklagen beim Schulhaus Surbaum trafen teilweise weit auseinanderklaffende Bedürfnisse aufeinander. Klar ist für alle: Es braucht…