Aufbruch in die Wildnis

Zwei Monate hat die Reinacherin Tanya Vögeli in Namibias Wildnis verbracht. Ein Erlebnis, das die angehende Biologiestudentin geprägt hat.

Auf Tour: Zusammen mit anderen Volontären und Gästen war Tanya Vögeli in Namibia unterwegs. Foto: ZVG
Auf Tour: Zusammen mit anderen Volontären und Gästen war Tanya Vögeli in Namibia unterwegs. Foto: ZVG

Tanya Vögeli, die Tochter der Reinacher Gemeinderätin Doris Vögeli, hatte genug von Lernen, Homeschooling und Corona, als sie nach Abschluss des Gymnasiums im vergangenen Sommer beschloss, die Koffer zu packen und ganz alleine auf Reise zu gehen: «Ich wollte etwas anderes erleben, aus dem gewohnten Alltag ausbrechen und vor Corona flüchten», erzählt sie. Durch Verwandte, die in Namibia den Ruhestand verbringen, ist sie auf die «Harnas Wildlife Foundation» gestossen, ein Projekt, das sich dem Schutz und der Pflege kranker, verletzter und verwaister Wildtiere verschrieben hat. Auf der Farm, rund drei Autostunden von Namibias Hauptstadt Windhuk entfernt, werden auf einer Fläche von rund 10000 Hektaren Löwen, Leoparden, Geparde, Wildhunde, Erdmännchen, Paviane, Strausse und viele andere Tiere beherbergt und auf die Rückkehr in die Wildnis vorbereitet. Volontäre aus aller Welt erhalten im namibischen Niemandsland die Möglichkeit, in der Tierbetreuung zu helfen und so die Wildnis, aber auch die örtliche Kultur kennen zu lernen. «Das Projekt hat mich sofort an­gesprochen, weil ich mit den unterschiedlichsten Tieren in Kontakt kommen konnte», erzählt die 21-Jährige, die im kommenden Sommer mit einem Biologiestudium beginnen wird.

Mitte Dezember kam sie nun mit vielen Erkenntnissen, Einsichten und etwas mehr Lebenserfahrung bepackt wieder nach Hause.

So weiss sie jetzt zum Beispiel, dass sich ein Löwe hinter den Ohren ganz flauschig anfühlt: «Zusammen mit anderen Volontären konnte ich einen Löwen, der für eine medizinische Untersuchung betäubt worden war, untersuchen. Die grossen Zähne aus der Nähe zu sehen, war schon beeindruckend.» Mit anderen, etwas zahmeren Raub- und Wildtieren durften die Volontäre im Wachzustand Kontakt pflegen, wobei es strikte Richtlinien gab, wie man sich zu verhalten hat: «Hektische oder schnelle Bewegungen waren tabu, da sie die Tiere aufschrecken.»

Um der Mittagshitze zu entgehen, begannen die Arbeitstage – ein freies Wochenende gab es nicht – in aller Frühe, und nach einem Morgenmeeting ging es gleich an die Essenszubereitung und die Fütterung der Tiere, aber auch Arbeiten wie das Putzen, der Bau oder die Reparatur von Zäunen oder das Stutzen von Bäumen standen auf dem Programm. Nach der Siesta wurden Spaziergänge mit den Tieren oder Touren in die wilde Umgebung unternommen: «Wir waren mit riesigen Fahrzeugen unterwegs – kein Wunder, wenn zwei Geparde hinten drin mitfahren mussten.»

Armut und Lebensfreude

Die junge Frau erzählt mit viel Begeisterung und Energie, aber auch mit einer gewissen Selbstverständlichkeit über ihre Erlebnisse, selbst dann, wenn sie vom Besuch in einem Dorf erzählt, wo Menschen des ortsansässigen Stammes unter teils grosser materieller Armut leben: «Manchmal lastete über dem Dorf eine Melancholie, insbesondere dann, wenn das Geld aufgebraucht war und die Männer deshalb keinen Alkohol mehr kaufen konnten, um sich zu betäuben. Teilweise griffen sie dann zu anderen Rauschmitteln, etwa einem Gemisch aus Autobatterien, was gefährlich werden konnte.»

Die Spontanität und Lebensfreude, die trotz Armut immer wieder aufkeimte, hat Vögeli beeindruckt: Den Kindern aus dem Dorf sind Berührungsängste fremd, weshalb sie keine Gelegenheit ausliessen, um mit den Volontären zu spielen. Die schweizerische Verklemmtheit hat Tanya Vögeli in Namibia schnell abgelegt: «Wir waren an einem Sonntag zusammen mit anderen Gästen an einen Gottesdienst eingeladen worden. Die Leute haben getanzt, gesungen, und je länger der Gottesdienst dauerte, desto mehr ging die Post ab. Auch Tiere waren in der Kirche, was dort ganz selbstverständlich ist.»

Veränderter Blick

Tanya Vögeli würde jedem jungen Menschen einen solchen Einsatz empfehlen: «Ich war alleine unterwegs und quasi dazu gezwungen, mich in einer völlig fremden Umgebung zurechtzufinden. Dabei habe ich extrem viel gelernt», erzählt sie. Natürlich sei sie vor der Abreise nervös gewesen, hätte sich «fast in die Hose gemacht», die Überwindung jedoch, aus dem Gewohnten auszubrechen und sich der Herausforderung zu stellen, hat sie gestärkt.

«Jeder Tag war anders, aufregend und neu. Wenn man sich darauf einlässt, wird man belohnt.» Auch der Blick für Dinge, die in der Schweiz selbstverständlich sind, wie etwa einen mit Lebensmitteln gefüllten Kühlschrank, hat sich verstärkt. «Wenn ich in Namibia einem Kind etwas gebe, kommen zehn andere und wollen mehr.»

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