Wie das Birseck zur Schweiz kam

Exakt vor 200 Jahren, am 20. März 1815, erhielt die Schweiz ihre heutigen Grenzen – nicht durch eine heroische Tat der Altvorderen, nicht durch die Verteidigung der Unabhängigkeit, sondern weil es dem europäischen Hochadel so gefiel.

Schloss Birseck: Vom Machtsymbol zum Ausflugsziel. Der Anschluss an die Schweiz machte aus Untertanen Bürger. Foto: Edmondo Savoldelli
Schloss Birseck: Vom Machtsymbol zum Ausflugsziel. Der Anschluss an die Schweiz machte aus Untertanen Bürger. Foto: Edmondo Savoldelli

Reinhard Straumann

Der Wiener Kongress, der nach der Französischen Revolution und den Kriegen Napoleons das ancien régime restaurierte, hatte befunden, dass eine neutrale Schweiz den Interessen der Mächte am besten entsprach. Also erhielt sie das Wallis mit seinen Alpenpässen, Genf und Neuchâtel. Weil hier der Schulstoff endet, der die Entstehung der Schweiz aus der Addition der Kantone erklärt, hat es ein weiterer Abschnitt des Dokuments vom 20. März 1815 nicht ins historische Bewusstsein der Schweizerinnen und Schweizer geschafft: der Anschluss des Fürstbistums Basel. Da es keinen eigenständigen Kanton bildete, sondern Bern und Basel zugeschlagen wurde, ist kaum zur Kenntnis genommen worden, dass der Jura, das Laufental und das Birseck zu den jüngsten Bestandteilen der Eidgenossenschaft gehören und dieser Tage das 200-jährige Jubiläum feiern.

Reformation und Rekatholisierung
Das Fürstbistum Basel, ein mittelalterlicher Feudalstaat des Heiligen römischen Reichs deutscher Nation, in welchem der Fürst auch der Bischof war, erstreckte sich vom Bielersee bis zum Schwarzwald und von der Ajoie bis nach Arlesheim. Grösstenteils französischsprachig, südjurassisch, reformiert und schweizerisch, zählte der nordjurassische, katholische Teil mit den Vogteien Zwingen, Pfeffingen und Birseck zum Reich.

Die innere Vielfalt des Fürstbistums ist Folge der Reformation. Als Basel 1529 den neuen Glauben annahm, setzte sich der Fürstbischof nach Pruntrut ab; das Domkapitel zog nach Freiburg im Breisgau. Das Birseck und das Laufental wurden faktisch preisgegeben, sodass 60 Jahre lang reformierte Pfarrer predigten – bis das Domkapitel mit Christoph Blarer von Wartensee einen kämpferischen Katholiken zum Fürstbischof wählte. Als ihm ein Vertrag mit den katholischen Orten der Eidgenossenschaft gelang, hatte er die Rückendeckung, die er zur Rekatholisierung benötigte.

1678 kehrte das Domkapitel zurück, wählte Arlesheim als Standort und erstellte einen Dom, um die Ansprüche auf das Bistum zu untermauern. Die Macht schien gefestigt. Die Vögte trieben Jahr für Jahr von den Untertanen den Zehnten und zur Fasnacht ein Huhn ein, erhöhten Steuern nach Bedarf, trieben die Bauern zu Fronleistungen an und bläuten ihnen ein, wem der Wald, die Jagd, der Fischfang gehöre: den gnädigen Herren. In ihren Privilegien ruhend, nahmen diese 1789 die Französische Revolution wohl zur Kenntnis, vermochten aber die Zeichen der Zeit kaum richtig zu interpretieren.

Die Raurachische Republik
Das änderte sich mit der Kriegserklärung Frankreichs an Österreich 1792. Das Fürstbistum Basel war jetzt unmittelbar bedroht. Der Fürstbischof floh nach Biel, die Revolutionsarmee marschierte ein und kontrollierte die Jurapässe. Im Dezember proklamierten die Besetzer einen neuen Staat, die Raurachische Republik. In ihm galt das Gesetz des Umsturzes. Die Domherrenhäuser und der Dom wurden zu Kantonnementen und Pferdeställen umgenutzt, die Glocken weggeführt, die Inventare zertrümmert.

Die Raurachische Republik währte nicht lange. Im März 1793 beschloss ihre Nationalversammlung die Auflösung und den Anschluss an Frankreich als Departement Mont-terrible mit dem canton Reinach. Aber auch diese Lösung war nicht von Dauer. Frankreich straffte die Verwaltung, hob das Departement auf und schlug es zu Haut-Rhin mit der Hauptstadt Colmar. Das Fürstbistum Basel wurde im März 1803 formell liquidiert; das Territorium blieb bei Frankreich, auch über die napoleonische Herrschaft hinaus. Neu Fürstentum Pruntrut genannt, wurde es dem Generalgouvernement Burgund übertragen. Dessen Verwaltung leitete – von seinem Sitz in Arlesheim aus – der Cousin des mächtigen Fürsten Metternich, Konrad von Andlau.

Abermals wurde die europäische Landkarte umgestaltet, ab September 1814 in Wien. Das ehemalige Fürstbistum gelangte an Bern, mit Ausnahme der Ortschaften Arlesheim, Reinach, Aesch, Pfeffingen, Ettingen, Therwil, Oberwil, Allschwil und Schönenbuch, die Basel «einverleibt» wurden. Ob sich deren Bewohner damit als Eidgenossen fühlten? Wohl kaum. Für sie war wichtiger, welchem Kanton sie angehörten, denn dieser bestimmte ihren Alltag.
Für Basel stellte der Anschluss des Birsecks ein Risiko dar, aber nicht wegen der Konfession, sondern wirtschaftlich. Es war strukturschwach, zählte jedoch mit 5100 Einwohnern ein Drittel der Stadtbevölkerung. Für den neuen Kantonsteil wurde eine separate Rechnung eingerichtet; die Last, die er aufwerfen würde, war von ihm selbst zu tragen.

Wie aber sollte das in der herrschenden Krise gelingen? Dass die liberale Bewegung, die im Winter 1830/31 Basel erreichte, zur Kantonstrennung führte, hängt mit der fehlenden Bindung des Birsecks an die Stadt zusammen. Die Initiatoren der Volkserhebung (Stephan Gutzwiller, Anton und Jakob von Blarer) waren katholisch; sie stammten aus Therwil und Aesch. Von ihnen liess sich das zuvor ausschliesslich reformierte Baselbiet in die Trennung führen. Ohne die katholische Elite wäre das Know-how kaum hinreichend gewesen, einen neuen Kanton aufzubauen.

Korrekturen eines Fehlentscheids
1977 gelang dem Jura die Abspaltung von Bern. Auch dies war eine Korrektur des Wiener Kongresses, der das ehemalige Fürstbistum nicht als eigenen Kanton aufgenommen, sondern es dem militärisch und ideologisch vertrauenswürdigeren Bern angegliedert hatte. 1984 wurde mit dem Wechsel des Laufentals von Bern zu Baselland der Verbund der früheren Ämter Zwingen, Pfeffingen und Birseck unter einer politischen Hoheit wiederhergestellt. So erfreulich sich seit 1815 die Zugehörigkeit zur Schweiz entwickelte, so wenig darf darüber hinweg gesehen werden, dass es drei Volksbewegungen brauchte, um den Entscheid des Wiener Kongresses hinsichtlich seiner kantonalen Aspekte zu korrigieren. Man hätte es einfacher haben können, wäre man bereits in Wien etwas sensibler mit den historischen Grenzen umgegangen.

 Literatur: Marco Jorio, Der Untergangdes Fürstbistums Basel, Freiburg 1981.

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