Vier Familien leben im gleichen Haus

In Reinach gibt es eine Wohngemeinschaft der besonderen Art: Elf Personen, darunter auch vier Kinder, wohnen seit vielen Jahren zusammen. Sie zeigen, wie es sich bei ihnen lebt – und warum sie ein neues Zuhause suchen.

Ein Teil des eingespielten 11-Personen-Haushalts: (v. l.) Mauro Pesavento, Christine Buser und Ayoka Bodenstedt. Foto: Florin Bürgler

Wenn man spontan an ein WG-Leben denkt, kommen einem wohl schnell unaufgeräumte Küchen, Streit über die Putz-Ämtli oder Briefe mit nachbarlichen Lärmbeschwerden in den Sinn. Dass in diesem Schnellschuss eine grosse Portion Verallgemeinerung steckt, zeigen die Menschen hinter dem «kollektivAngewachsen». Sie leben schon seit vielen Jahren in einer für viele ungewöhnlichen Wohnform zusammen. Insgesamt sind es elf Personen: sieben Erwachsene im Alter von 32 bis 40 Jahren und vier Kinder zwischen 0 und 5 Jahren. Oder anders gesagt: drei Familien mit Kindern und ein Paar.

Angefangen hat alles vor über zehn Jahren, als drei der heutigen WG-Mitglieder noch zu Studienzeiten zusammengezogen sind. Über die Jahre habe sich dann herauskristallisiert, dass alle das gemeinsame Wohnen sehr schätzen, und der Radius erweiterte sich auf jeweilige Partnerinnen und Partner oder Bekannte. Insgesamt umfasse der Dunstkreis an Menschen, die bereits einmal Teil dieser Ursprungs-WG waren, 41 Personen. Diese Wechsel seien aber logischerweise vor allem in der Anfangszeit gewesen. Fast von Beginn weg ist Christine Buser mit dabei. Sie erzählt, dass sie sich aufgrund von Platzmangel auch schon einmal vorübergehend aufteilen mussten: «Gerade in dieser Zeit haben wir alle gemerkt, was wir aneinander haben und wie sehr wir das Zusammenleben geniessen.»

Ganz ohne Ämtli-Plan

Seit eineinhalb Jahren wohnen sie nun in Reinach in einem grossen Haus mit umliegendem Garten. Die acht Räume verteilen sich auf fünf Schlafzimmer, zwei grosse Wohnzimmer und ein Bürozimmer. Das Zentrum des Hauses wie auch des Zusammenlebens sei ganz klar der grosse Esstisch, sagt Ayoka Bodenstedt, die mit ihrem dreijährigen Sohn im Haus wohnt. Das gemeinsame Abendessen habe einen hohen Stellenwert. Meistens koche jemand gleich für alle – und das funktioniert erstaunlicherweise ganz ohne fixen Kochplan. «Wir haben keine klaren Ämtli, kennen jedoch unsere jeweiligen Stärken und vielleicht auch Schwächen. In unserer WG kommen so auch viele Kompetenzen und Ressourcen zusammen, die wir nutzen können», führt Bodenstedt aus. Ergänzend zur Leidenschaft für gutes und biologisches Essen passt ein weiteres Hobby der WG: das gemeinsame Gärtnern. Auf dem Predigerhof betreuen sie einen grossen Gemeinschaftsgarten, mit dem sie einen Grossteil ihres eigenen Bedarfs an Gemüse und Obst gleich selbst decken können. Darin wurzelt auch der Name «kollektivAngewachsen», den sich die Wohngemeinschaft gegeben hat.

Bei der Frage nach den Vor- und Nachteilen des Zusammenlebens in einer Mehrfamilien-WG liessen die positiven Aspekte nicht lange auf sich warten. Vor allem das Soziale und die vielen verschiedenen Inputs und Perspektiven seien für  fast alle Lebensbereiche eine Berei­cherung. Zudem sei diese Form sicherlich  ressourcenschonend, da nur rund 30  Quadratmeter Wohnfläche pro Person benötigt werden.

Eine kurze Google-Suche ergibt: In der Schweiz liegt der Durchschnittswert pro Kopf bei rund 45 Quadratmetern. Als Negativpunkte fallen nach einigem Nachdenken lediglich, dass gewisse Dinge mehr kommuniziert oder abgesprochen werden müssten – doch das würden sie grundsätzlich nicht als Abstrich wahrnehmen. Für die Kinder sei das gemeinsame Aufwachsen natürlich etwas Schönes, aber auch für die Eltern habe es Vorteile, denn die Chance auf die Verfügbarkeit eines internen Babysitters, falls man am Abend mal spontan ausgehen möchte, sei enorm hoch.

Langfristige Lösung gesucht

Das aktuelle Haus sei ein Glücksgriff gewesen, jedoch war es von Anfang an nur als Zwischennutzung verfügbar. In den nächsten ein bis zwei Jahren suchen die Menschen vom «kollektivAngewachsen» eine neue Liegenschaft im Grossraum Basel, die zum Verkauf oder zur Miete steht. Mauro Pesavento, der seit rund vier Jahren dabei ist, sagt: «Wir sind viel auf der Suche, jedoch sind wir als Gross-WG nicht gerade der Standardfall. Deshalb sind wir froh, wenn sich Leute bei uns melden, die über ein geeignetes Objekt Bescheid wissen.» Gerade für die Kinder, deren Lebensabschnitte und Bedürfnisse sich schnell verändern, sei eine gewisse Flexibilität mit Um- und Anbauten wichtig, denn in einem sind sich alle einig: Die Dauer ihres Wohnprojekts ist sicherlich «open end».

Zum Schluss interessiert natürlich noch das Geheimnis eines solch harmonischen Zusammenlebens (und vielleicht können sich einige Studi-WGs hier nun genaue Notizen machen): «Grosszügigkeit, Kommunikation und eine gesunde Kompromissbereitschaft», sind sich die Anwesenden am Küchentisch nach einer kurzen Besprechung passenderweise einig.

Weitere Infos und Kontaktaufnahme: www.kollektivangewachsen.chkontakt@kollektivangewachsen.ch – 079 709 68 38

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