Totalsperre auf heissen Sitzen
Fünf Monate lang kein Bahnverkehr mehr zwischen Aesch und Laufen. Nun sind Nerven gefordert.

Jetzt ist sie schmerzhafte Realität: die Totalsperre. Wegen des Doppelspurausbaus Grellingen–Duggingen fährt vom 26. April bis zum 28. September zwischen Aesch und Laufen kein Zug mehr. Das bildet eine Zäsur im Alltag Tausender Menschen. Manche nahmen Urlaub, andere liessen sich frühpensionieren. Der Grossteil aber schluckt die bittere Pille, richtet sich im Homeoffice ein oder stellt sich wacker dem Ersatzverkehr. Wir haben uns am Sonntag auf ein Reise von Basel ins Laufental gewagt.
Bis Aesch verläuft alles wie gewohnt. Erstaunlich leer ist der S3-Zug, der zurzeit sogar im Viertelstundentakt verkehrt. Doch spätestens in Münchenstein zeichnet sich der Ausnahmezustand ab. Der Zug rattert über die frisch ersetzte Birsbrücke. Noch dauern hier die Bauarbeiten zum Ersatz der alten Gustave-Eiffel-Stahlkonstruktion an: Gelbe Baumaschinen, rot-weisse Absperrungen und kahle Schutthalden säumen das Trassee. Ein Anblick, der die Reise fortan begleitet. In Aesch ist schliesslich «Endstation», so die Lautsprecher-Durchsage: «Wir bitten Sie, für die Weiterfahrt den Bahnersatzverkehr zu nutzen.» Leise seufzend erhebt sich eine ältere Dame bei der Einfahrt in Aesch. Die Umsteigeübung ist man langsam gewohnt. Ungewohnt reges Treiben herrscht aber am Aescher Bahnhof. Hier kreuzen sich die Passagierströme, zahlreiche FCB-Fans sprudeln aus den Ersatzbussen und bewegen sich für den Cup-Halbfinal zum Perron.
Auskunftspersonal in Leuchtwesten wuselt herum, und pausierende Chauffeure lehnen rauchend an der grünen Linde am Bahnhofplatz. Eine Kundenschlange steht vor dem kleinen Tresen des Bistro-Shops, wo die Wirtin frische Gözleme feilbietet. «Für uns ist der Ersatzverkehr ein Jackpot», sagt sie glücklich. Fast alle hier scheinen zu wissen, wo sie ihren Bus finden. Eine Frau erkundigt sich aber auf Englisch: «Erschwil?» Ein Mann in Leuchtweste zückt einen Zettel und weist auf den Bus EV3. Dieser verkehre direkt bis Zwingen. Daneben fahre der Direktbus Aesch–Laufen EV2 und der EV1 mit Halt in Duggingen, Grellingen und Zwingen. Damit geht die Reise weiter. Auf den Gleisen rollen Bauarbeitende auf einer Schienenhebebühne vorbei. Auf dem Trassee gibt es nun Platz zum Arbeiten.
Nadelöhr Angenstein sorgtbereits für Stau
Umso enger wird es hingegen auf der Strasse. Das zeigt sich bereits beim Nadelöhr Angenstein, wo der Gelenkbus behutsam langsam um die Felskante unterhalb des Schlosses ächzt. Der Gegenverkehr macht an der Ampel halt. Auch im Bus ist es eng. Und dazu heiss und schwitzig. «Wenn die Klimaanlagen ausfallen, gibt das Probleme», meint eine Passagierin.
Der Bus kurvt mitten durch Duggingen. Zusammen mit Aesch leidet das Dorf unter dem Ersatzverkehr am meisten. Noch hält das die Dorfältesten aber nicht davon ab, vor dem Restaurant zum Sternen das schöne Wetter zu geniessen: eingeklemmt zwischen Verkehr und Baustelle am Bahnhof unterhalb, wo der neue Bahnuntergang bereits steht und die SBB ein neues Perron bauen. Auch der Bahnweg Aesch–Grellingen ist mittlerweile durchgehend geteert. Das soll die Hauptstrasse entlasten. «Ich habe mir extra ein neues E-Bike gekauft», erklärt ein Fahrgast. An den Wochentagen werde er nur noch mit dem Velo zur Arbeit fahren.
Kein Platz für Fahrräderin vollen Bussen
Beim Westportal des Eggfluetunnels rollt der Bus ohne Stopp auf die N18. Auch hier wurde eine Ampel montiert. Dahinter warten bereits zehn Fahrzeuge. Kurz vor Zwingen fährt ein doppelstöckiger Ersatzbus vorbei. Der Fahrer hebt lässig grüssend die Hand. Hinter ihm fährt eine längere Fahrzeugkette. Staus werden unumgänglich sein. Mancherorts bringt der Bahnersatz aber auch Vorteile, denn der Bus hält beim Martisackerweg in Grellingen und beim Strengenfeld in Zwingen. Dort wartet eine Familie in FCB-Trikots. Bis ins Joggeli müssen sie nur zweimal umsteigen, ohne den Marsch an den Bahnhof Zwingen.
Umso länger sind die Gehdistanzen in Laufen. Die Ersatzbusse halten bei der Kante F in Richtung McDonald’s. «Kann man das nicht nach vorne verlegen?», fragt eine Frau, die auf den Bus will. Sie möchte auch ihr Fahrrad mitnehmen. Das wird ihr verwehrt. «Der Platz reicht nicht, Passagiere haben Vorrang», entgegnet der Mann in Leuchtweste. Dahinter steht der Schnellzug aus Delémont, dessen Reise aktuell in Laufen endet und der in Erinnerung ruft, weshalb die ganze Übung nötig ist. Per Fahrplan 2026 soll er die Strecke Basel–Biel im Halbstundentakt bewältigen.