Nicht glattgebügelt

Am letzten Wochenende spielte das «Back to Back Theatre» aus Australien im Rahmen des Theaterfestivals Basel im Neuen Theater Dornach. Drei Menschen mit einer ­geistigen Beeinträchtigung begeisterten.

Geht unter die Haut: Die polemische Debatte zwischen Sarah und Simon. Foto: Zan Wimberley, zVg
Geht unter die Haut: Die polemische Debatte zwischen Sarah und Simon. Foto: Zan Wimberley, zVg

Der Theatersaal ist bis auf den letzten Platz besetzt. Die grosse Bühne ist dunkel und leer. Alle warten auf das Stück «The Shadow Whose Prey the Hunter Be­comes», übersetzt: «Der Schatten, zu dessen Beute der Jäger wird.» Sarah und Scott betreten die Bühne. Das Ganze spielt in einem Gemeindesaal, wo eine Zukunftskonferenz stattfinden soll. Scott, der ein T-Shirt mit der Aufschrift «Autist Pride» trägt, hat eine sehr laute Stimme. Sarah wirkt zerbrechlich und redet langsam und stockend.

Das international viel beachtete «Back to Back Theatre» aus Australien steht für virtuoses inklusives Theater. Sarah Mainwaring, Scott Price und Simon Laherty, die drei Protagonisten, spielen sich in diesem Stück selbst. Alle haben sie eine geistige Beeinträchtigung, aber alle besitzen einen hohen Grad an Selbstreflexion. Die Ausgangslage im Stück ist die Zusammenkunft in einem Gemeindesaal, wo eine Zukunftskonferenz stattfinden soll. Die drei Personen verhandeln teils ernst, teils witzig, teils neugierig und kontrovers die drängenden Fragen der Gesellschaft. Dabei geht es um Menschenrechte, sexuelle Selbstbestimmung, künstliche Intelligenz und um individuelle wie gesellschaftliche Verantwortung. Die Truppe sagt selbst von sich: «Unsere Aufmerksamkeit liegt auf Design, Licht und Klang. Die Geschichten, die wir verfolgen, verweben das Persönliche, das Politische und das Kosmische.»

Der besondere Reiz des Spiels besteht in der Konfrontation des Publikums mit Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung; es ist auch eine Konfrontation mit den eigenen Vorurteilen diesen Menschengruppe gegenüber.

«Die Gesellschaft ist schuld»

Die drei Personen auf der Bühne schonen auch sich selbst nicht. Immer wieder gibt es Fehlinterpretationen, Fehlführungen und Missverständnisse, die geklärt werden müssen. Da das Stück aufgrund des schwierig zu verstehenden Australischen sowohl englisch wie auch deutsch übertitelt ist, wird selbst dieser technische Effekt hinterfragt. Sarah protestiert gegen die Übertitelung dessen, was gesagt wird: «Übertitelung ist übergriffig. Ich möchte nicht glattgebügelt werden.» «Nicht glattgebügelt werden»: Das ist das Anliegen der dreiköpfigen Theatertruppe. Auch das Wort «geistige Behinderung» löst bei Sarah Unbehagen aus. Sie schlägt das Wort «neurodivers» vor.

Als Scott ein Rednerpult betritt und darüber spricht, wie Behinderte verspottet, ausgebeutet, an den Rand gedrängt und missbraucht werden und wurden, ist das einer der Höhepunkte des Stücks. Simon sagt: «Manchmal schäme ich mich, eine Person mit Behinderung zu sein, aber die Gesellschaft ist schuld. Normale Menschen machen mir Angst.»

Das «Back to Back Theatre» ist eine der führenden zeitgenössischen australischen Theatergruppen. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Geelong, Victoria, und tourt jeweils um die Welt. Das Unternehmen gibt es seit 1987, es erhielt 2022 den Internationalen Ibsen-Preis.

Nach dem lang beklatschten Spiel konnte das Publikum im Foyer noch mit Sarah, Scott und Simon sprechen. Sarah Mainwaring zeigte ihr Glück über ihre Chance, mit anderen zu spielen, auf ­impulsive Weise. Auf die Frage, ob das Spielen nicht zur Routine werde, antwortet Simon ­Laherty, er könnte das Stück gleich noch einmal spielen.

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