Leben nach dem Wakkerpreis
Die Auszeichnung mit dem Wakkerpreis hat der Birsstadt nationale Bedeutung verliehen. So plant der Verein die Zukunft der Region.

Im vergangenen Jahr wurde die Birsstadt mit dem Wakkerpreis ausgezeichnet. «Hochparterre», die nationale Zeitschrift für Architektur und Stadtplanung, hat ihr unter dem Titel «Zusammenwachsen» das aktuelle The-menheft gewidmet. Redaktor Joris Jehle schliesst sein Editorial sinngemäss: Im Birstal finde sich eine wahre Sammlung von Perlenketten – landschaftliche, bauhistorische, eine mit Siedlungen und eine mit Industriearealen. Nun gelte es, auch die Räume zwischen den einzelnen Perlen «zum Glänzen zu bringen».
Durch die renommierte Auszeichnung hat die Birsstadt Aufmerksamkeit in der ganzen Schweiz erfahren, wie der Arlesheimer Gemeindepräsident Markus Eigenmann (FDP) an der Mitgliederversammlung des Vereins Birsstadt am Dienstag im Forum Würth erklärte: «Wir haben Anfragen für Führungen aus der ganzen Schweiz bekommen, etwa von Stadtplanern oder Immobilienfirmen. Alle wollen wissen, was es mit dieser Birsstadt auf sich hat. Das ist für uns als Verein ein Hosenlupf. Zum Glück unterstützt uns dabei jetzt Baselland Tourismus.»
Eigenmann präsidiert in diesem Jahr den Verein, weshalb er als Arlesheimer Gastgeber der Versammlung war. In einer Grussbotschaft zeigte sich der Baselbieter Regierungsratspräsident Isaac Reber (Grüne) erfreut darüber, dass «in der Birsstadt Bewegung drin ist», stellte aber zugleich klar, indem er einen Zeitungstitel zitierte: «Es gibt ein Leben nach dem Wakkerpreis.» Vieles funktioniere in der Birsstadt gut, und der Kanton sei bestrebt, die Entwicklung der Region weiter zu unterstützen. Dabei bekräftigte er erneut den Wil-len, sich etwa dafür einzusetzen, dass Schnellzüge auch am Bahnhof Dornach-Arlesheim anhalten. Ob dieser Bahnhof vielleicht irgendwann den Namen «Birsstadt» trägt?
«Es gibt eine Unausgewogenheit»
Die Mitgliederversammlung des Vereins Birsstadt machte einmal mehr die Vielfältigkeit der Dimensionen deutlich, in welchen sich das Projekt bewegt: Da geht es einerseits um Handfestes wie die Birsputzete oder Elektroladestationen an Mehrfamilienhäusern, andererseits um Fragen, welche die Lebensdauer eines Menschen überschreiten. Während die Nachbarstadt Basel jahrhundertealt ist, hat sich die zusammenhängende Urbanität im Birstal erst in den letzten Jahrzehnten entwickelt.
Und die Entwicklung stösst in der Bevölkerung gewiss nicht nur auf Gegenliebe: Der Verkehr bewegt sich bereits hart an der Kapazitätsgrenze, erschwinglicher Wohnraum ist rar. «Es gibt eine Unausgewogenheit», stellte die als Referentin eingeladene Juristin für Immobilien-, Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht, Miriam Lüdi, fest. Rund 95 000 Menschen wohnen in den zehn Gemeinden der Birsstadt, bis 2040 sollen sich zusätzliche 8000 bis 9000 Personen ansiedeln. Gleichzeitig werden Wirtschaftsflächen für rund 5000 Beschäftigte entstehen.
Wie soll diese Entwicklung gestemmt werden? Zur Beantwortung dieser Frage stellte die Expertin das Konzept der «10-Minuten-Nachbarschaften» vor. Die Essenz des Ganzen: Wege zwischen Wohnen, Arbeit und Freizeit sollen so weit als möglich verkürzt werden. «Allerdings ist das eine Entwicklung, die nicht von heute auf morgen geschieht, sondern in Jahrhundertschritten stattfindet.»
Im auf das Referat folgenden Podium mahnte Anna Borer, Co-Leiterin Stadtentwicklung Aarau, bei der Siedlungsplanung «nicht in politischen Ideologien zu denken», wobei diese, wie die Diskussion zeigte, sehr wohl mitspielen. Der Siedlungsberater Florian Inneman verwies auf die Stadt Biel: «Ein Drittel der Gemeindefläche ist dort in städtischem Besitz. Damit hat die Stadt einen Trumpf in der Hand, um die Siedlungsentwicklung zu steuern.» Lasse eine Stadt etwa zu, dass «auf der grünen Wiese» ein Einkaufszentrum gebaut werde, müsse sie sich nicht wundern, wenn ihr Zentrum leer sei.
Die «10-Minuten-Nachbarschaften»
Nur mit einer politischen Steuerung könnten Zentren gestärkt und die Entwicklung im Sinne des Konzepts der «10-Minuten-Nachbarschaften» vorwärtsgebracht werden. Etwas marktfreundlicher drückte sich dagegen Ina Stammberger, Managerin des Immobilienberatungsunternehmens Wüest Partner, aus: Investoren müssten eben davon überzeugt werden, dass es lohnend sei, auch Geld für Flächen zu investieren, die «nicht effizient» seien. Klar ist: Für Investoren sind Eigentumswohnungen und Hightech-Hotspots attraktiver als etwa traditionelles Gewerbe. «Will man dies erhalten, liegt es an der Politik, sich dafür auszusprechen», so Inneman.