Kommt es zur Revolution, scheint vieles anders, als es ist
Die neue Produktion «Der Grüne Kakadu» von Theaterbühne Münchenstein und Jugendtheater Arlesheim bietet viel Verwirrung und skurrile Verbrecher.
In den 1921 erbauten, kantonal geschützten Gemäuern an der Gutenbergstrasse 1 in Münchenstein, Jahrzehnte das Zuhause einer Schriftgiesserei, heute der Rudolf Steiner Schule, fand am vergangenen Donnerstag die Premiere des durch die Theaterbühne Münchenstein und das Jugendtheater Arlesheim neu inszenierten Bühnenstücks «Der Grüne Kakadu» statt. Die Groteske des österreichischen Dramatikers Arthur Schnitzler wurde 1899 in Wien uraufgeführt, handelt in der titelgebenden Spelunke und spielt in Paris am Vorabend der Französischen Revolution. Publikum und Schauspieler kommen sich bei dieser Inszenierung nahe, die Grenze zwischen Bühne und Zuschauerbereich ist fliessend, was gut zu den Wirren des damaligen Volksaufstandes sowie zum Inhalt des Stücks passt: Kernmotiv bildet die Ununterscheidbarkeit von Wahrheit und Lüge, Sein und Schein. Zu Beginn wendet sich eine Dame, die dem französischen Adel entstammen könnte, an eine Frau im Publikum, fragt nach dem Weg, der «Zum Grünen Kakadu» führe. An kleinen Tischchen am Rande der Bühne sitzen Menschen in moderner Kleidung. Sind sie Teil der Schauspieltruppe oder Teil des Publikums? Von Anfang an gelingt es der Inszenierung, eine Atmosphäre der Verwirrung zu erzeugen.
Echte Verbrecher, falsche Ganoven
Prospère, ein ehemaliger Theaterdirektor, führt das Lokal «Zum Grünen Kakadu», beschäftigt und bewirtet dort einige wenig erfolgreiche Schauspieler und Schauspielerinnen aus seiner Zeit am Theater. Besucht wird der schummrige Ort gerne von Adligen, die dem Nervenkitzel nachgehen, sich in Gesellschaft von Strassenganoven und Verbrechern zu bewegen. Die Damen und Herren der feinen Gesellschaft wollen sich «an den grössten Verbrechern der Strassen von Paris» ergötzen, so Prospère. Das meiste ist zwar gespielt, inszeniert von Schauspielern, die sich darin überbieten, den besten Verbrecher zu geben. Doch manchmal verirrt sich auch ein echter Verbrecher ins Lokal, wobei auch hier das Verwirrspiel zwischen Sein und Schein fortgesetzt wird. Eine skurrile Gestalt behauptet etwa, eben aus dem Gefängnis entlassen worden zu sein – er habe seine Tante umgebracht, möchte sich als echter Verbrecher etwas dazuverdienen –, er habe wohl mehr zu erzählen als jene, die nur so tun, als ob sie seinesgleichen wären. Auch ein Kommissar kommt vorbei, um der Sache auf den Grund zu gehen. Seit einigen Wochen soll der Ort Schauplatz «wilder Orgien» sein, «aufrührerische Reden» seien gehalten worden, was angesichts der gerade bevorstehenden Revolution nicht verwundert. Prospère stellt sich auf den Standpunkt, dass es sich bei seinem Unternehmen um ein «Vergnügungslokal» handle. Doch das Zeitgeschehen geht auch an einer Spelunke nicht vorbei – mit dem erfolgten Sturm auf die Bastille nimmt das Stück eine überraschende Wende.
18 Schauspieler auf der Bühne
Die Theaterbühne Münchenstein und das Jugendtheater Arlesheim haben nicht nur ein Stück auf die Bühne gebracht, sondern tischen auch ein «Zum Grünen Kakadu» passendes Menü auf, das entweder vor der Vorstellung oder – auf Nachfrage – exklusiv an den Tischchen auf der Bühne genossen werden kann. Auch zum Mitsingen sind die Zuschauerinnen und Zuschauer eingeladen. 18 Laiendarstellerinnen und Laiendarsteller spielen auf der Bühne. Regie führt die in Arlesheim lebende Schauspielerin, Bewegungs- und Theaterpädagogin Marie-Louise Lienhard Ullrich. Engagiert ist sie in Deutschland und in der Schweiz – in der Region etwa am Jungen Theater Basel oder an der Bühne des Goetheanums. 2013 gründete sie mit der reformierten Kirche Arlesheim das Jugendtheater Arlesheim, welches sie seit 2016 selbstständig führt. Die Theaterbühne Münchenstein wurde im Frühjahr 2022 gegründet und führte im Herbst ihre erste Produktion «Das Testament» von Mitgründer Christoph Frommherz auf. Die Räumlichkeiten der Rudolf Steiner Schule dienen der Gruppe als Probelokal. Das Stück «Der Grüne Kakadu» ist bis am 30. September zu sehen.