Grenzen sprengen: Was einst verboten war, ist jetzt im Neuen Theater zu hören

In «Tochter aus Elysium» steht das Replikat einer im 16. Jahrhundert verbotenen Orgel im Zentrum. Das Instrument erklingt erstmals in einem Musiktheater.

Mächtiges Instrument: Martin Kirnbauer, Leitungsmitglied der Schola Cantorum Basiliensis, mit der «auferstandenen» Orgel. Foto: zVg
Mächtiges Instrument: Martin Kirnbauer, Leitungsmitglied der Schola Cantorum Basiliensis, mit der «auferstandenen» Orgel. Foto: zVg

Die neuste Produktion des Neuen Theaters in Dornach sprengt Grenzen, die seit Jahrhunderten währen. Ausgangs- und Mittelpunkt von «Tochter aus Elysium» bildet das Replikat eines Instrumentes aus der Renaissance, das Arciorgano.

Im Jahr 1555 präsentierte der Komponist und Musiktheoretiker Nicola Vicentino im Herzen Italiens dieses Instrument, das den Ganzton in fünf zu teilen und 36 Töne pro Oktave zu spielen vermochte. Er bezog sich dabei auf die ­Antike, wo an Vieltönigkeit und Mikrotonalität bereits geforscht wurde. Sein Instrument versetze uns in die Lage, all jene Töne hinzuzufügen, die bisher fehlten, verkündete der Erfinder. «Die Tonabstände des Instruments bewegen sich im Mikrobereich, weshalb Klänge entstehen, die uns ganz fremd sind», sagt Theaterleiter und Regisseur Jonas Darvas.

Amoralische Zwischentöne

Das Replikat von Vicentinos mikrotonaler Orgel ist 2016 im Rahmen eines von der Hochschule für Musik Basel und der Schola Cantorum Basiliensis sowie dem von der Kommission für Technologie und Innovation KTI finanzierten Forschungsprojekt Studio31+ entstanden. Das neue Arciorgano entstand aufgrund eines historischen Dokumentes und einer Münzsammlung aus dem 16. Jahrhundert.

Das Gros der Obrigkeit hatte an Vicentinos Wirken damals keine Freude: Die Kirche bezichtigte ihn der Amoral und des Teufels, andere Komponisten kritisierten sein Wirken heftig. Der Fall wurde schlussendlich einer Kommission zur Beurteilung übergeben. Sie befand, dass Vicentino sein Wirken abbrechen musste und eine hohe Strafe zu zahlen hatte. «Begründet wurde dies mit universellen Skalen in der Musik, welche theologisch und ideologisch begründet waren. Sie spiegelten die göttliche Ordnung wider», erzählt Johannes Keller, der das Forschungsprojekt initiiert hatte. «Wäre Vicentino mit dem Konzept seiner Vieltönigkeit durchgekommen, hätten wir heute eine andere Musik.» In «Tochter aus Elysium» wird die Orgel vom Vokalensemble Voces Suaves begleitet, welches die neuen Intervalle einstudiert hatte: «Es kam Musik mit einer ganz eigenen Wirkung zum Vorschein.»

Griechische Götterwelten

Drei Schauspielende sowie fünf Sängerinnen und Sänger des Vokalensembles sowie die Orgel, die teils automatisch durch den Computer, teils durch Johannes Keller selbst gespielt wird, bilden den sichtbaren Part der Aufführung. «Tochter aus Elysium» transferiert die historische Figur um Nicola Vicentino in Erzählungen der griechischen Götterwelt – ein Clou von Joël László, der das Stück im Auftrag von Darvas, geschrieben hatte: «Der Weg von der Renaissance-Orgel zum Theaterstück ergab sich einerseits über intensive Recherchen und Lektüren. Zum anderen wusste ich um die Nähe der Renaissance zum griechischen Götterhimmel. Das Arciorgano schreibt sich wie von selbst ein in die mythologischen Zusammenhänge.» Ein Musiktheater, das ganz grosse Fragen aufwirft, aber auch einen Bogen in Gegenwart und Zukunft spannt.

«Tochter aus Elysium» von Joël László; Premiere, Uraufführung: 12. Mai, 19.30 Uhr; weitere Vorstellungen: 13., 18., 20., 21., und 24. Mai jeweils um 19.30 Uhr. Informationen und Tickets: www.neuestheater.ch

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