«Es gibt nie eine absolute Sicherheit»

Bundesrat Beat Jans (SP) referiert heute Abend am Pfeffinger Forum zum Thema «Offenheit oder Abschottung». Im Interview erklärt er, was der Bundesrat für die innere Sicherheit unternimmt, wie die hohen Asylzahlen bewältigt werden können und ob der Auftritt in seiner Heimatregion etwas Besonderes ist.

Quasi ein Heimspiel für den Basler: Beat Jans ist heute in Pfeffingen zu Gast. Foto: CH Media Archiv / Lorena La Spada
Quasi ein Heimspiel für den Basler: Beat Jans ist heute in Pfeffingen zu Gast. Foto: CH Media Archiv / Lorena La Spada

Herr Bundesrat Jans, können Sie der Bevölkerung als Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) versichern, dass die Schweiz in Sachen Sicherheit gut aufgestellt ist?

Beat Jans: Die Schweizer Bevölkerung darf sich sicher fühlen. Die Sicherheit gehört zu unseren wichtigsten Aufgaben. Gemeinden und Städte, Kantone und Bund arbeiten gut und eng zusammen. Jede Ebene hat ihre Zuständigkeiten, die sie wahrnimmt. In der Praxis ist das zum einen anspruchsvoll, zum anderen aber auch ein grosser Vorteil, weil wir in der Schweiz nah bei den Menschen und den Problemen sind. Man muss sich aber auch immer bewusst sein, dass es nie eine absolute Sicherheit gibt, auch wenn wir sehr gut aufgestellt sind.

Sie sind seit dem 1. Januar 2024 EJPD-Vorsteher. An welchen Stellschrauben haben Sie seitdem gedreht, um die Sicherheit im Land zu erhöhen?

Sicherheit hat viele Facetten. Bei der öffentlichen Sicherheit sind die Kantone und ihre Polizeikorps im Lead. Dem Bund kommt eine zentrale Rolle zu, wenn es darum geht, den Informationsfluss und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Stellen und Behörden zu optimieren. Fedpol habe ich den Auftrag gegeben, eine Strategie gegen organisierte Kriminalität auszuarbeiten. Dieses Jahr hat das Parlament zudem das Flugpassagierdatengesetz angenommen und wir haben die ersten Schritte unternommen, um die Zahl der Ermittler bei fedpol zu erhöhen. Die Menschen sollen sich auch in den eigenen vier Wänden sicher fühlen können. Darum arbeiten Bund und Kantone intensiv daran, die häusliche Gewalt zu bekämpfen.

In den vergangenen Monaten schockierten Nachrichten von Femiziden die Schweiz. Befinden sich Paare in einem Trennungsprozess, kann dies für die Frau gefährlich werden. Was tut der Bundesrat, damit Frauen in Beziehungen besser geschützt werden und keine Angst vor Trennungen haben müssen?

Die Bekämpfung von häuslicher und sexueller Gewalt ist mir ein grosses Anliegen. Dabei nehme ich vor allem auch uns Männer in die Pflicht: Starke Männer lösen Probleme, indem sie zuhören – nicht zuschlagen. Wir haben eine Revision des Opferhilfegesetzes auf den Weg gebracht. Das Ziel ist, dass insbesondere Opfer von häuslicher und sexueller Gewalt durchgehend Hilfe erhalten. Das bedeutet auch, dass Spuren der Gewalttat gesichert und hinterlegt werden. Und zwar kostenlos und auch dann, wenn das Opfer den Täter oder die Täterin nicht anzeigen möchte. Die rechtsmedizinische Dokumentation kann auch später noch als Beweismittel dienen. Der Bundesrat nimmt so den Druck von den Opfern und erhofft dadurch mehr Anzeigen und mehr strafrechtliche Verurteilungen.

Die Asylpolitik gehört zu den emotionalsten Debatten in der Schweizer Politik. Wann sagen Sie als SP-Bundesrat, dass zu viele Menschen in die Schweiz flüchten und Asyl beantragen?

Unsere völkerrechtlichen Verpflichtungen und unsere eigenen Gesetze verpflichten uns, verfolgten Menschen Schutz zu geben. Das entspricht unserer humanitären Tradition. Aber weltweit waren noch nie so viele Menschen auf der Flucht wie heute. Manche von ihnen kommen in die Schweiz auf der Suche nach einer besseren Zukunft. Ihnen müssen wir eine Perspektive in der Heimat geben. Insgesamt machen die Menschen, die durch Flucht in die Schweiz gekommen sind, 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.

Viele Kantone und Gemeinden waren in den vergangenen Jahren am Limit, um genügend Plätze für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen. Was macht der Gesamtbundesrat und was machen Sie als verantwortlicher Bundesrat, um den Druck auf die Kantone und Gemeinden zu reduzieren?

Der brutale Angriff Russlands auf die Ukraine hat in Europa die grösste Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Das war eine Belastungsprobe für unser ganzes Asylsystem, viele reguläre Asylgesuche sind liegen geblieben. Aber wir – Bund, Kantone, Städte und Gemeinden – haben die Herausforderung zusammen mit der Bevölkerung gemeistert. In den letzten Monaten hat sich der Druck deutlich reduziert, die Asylzahlen sinken. Jetzt arbeiten wir daran, die Pendenzen abzubauen. Diese Entlastung kommt mit etwas Verzögerung auch bei den Kantonen und Gemeinden an.

Das Thema des diesjährigen Pfeffinger Forums «Offenheit oder Abschottung» bringt das Dilemma beim Thema Sicherheit auf den Punkt. Inwiefern birgt zu viel Abschottung eine reale Gefahr und muss die Schweiz für eine deutlich höhere Sicherheit Mitglied der EU und der Nato werden?

Ein Beitritt zur EU oder zur Nato steht aktuell nicht zur Diskussion. Ich bin aber überzeugt, dass mehr Zusammenarbeit mehr Sicherheit bringt. Gerade die Beziehungen zu unseren europäischen Nachbarn werden in der aktuellen geopolitischen Lage noch wichtiger, als sie es schon sind. Zu den neuen bilateralen Abkommen, über die wir dereinst abstimmen werden, kann ich sagen: Was wir mit der EU ausgehandelt haben, ist wirklich gut. Wir erreichen alle Ziele, die der Bundesrat im Mandat festgelegt hatte. Wir haben weiterhin hindernisfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt, wahren die direkte Demokratie, Service public und Lohnschutz. Und wir haben endlich Rechtssicherheit. Für ein kleines Land ist das zentral. Jetzt, da immer mehr das Recht des Stärkeren zählt, umso mehr.

Sie waren in Ihren Ämtern als Basler Regierungspräsident und Nationalrat im Publikum zu Gast am Pfeffinger Forum. Wie besonders ist es für Sie, als Bundesrat in Ihrer Heimatregion als Hauptredner zu Gast zu sein?

Natürlich ist das immer schon ein bisschen ein Heimspiel und ich freue mich auf meinen Auftritt am Pfeffinger Forum.

Sind Auftritte in der Region Basel für Sie als «Basler Bundesrat» schwieriger oder einfacher?

Es ist eben ein Heimspiel: Es ist zwar irgendwie einfacher, weil man «daheim» ist und viele Menschen im Publikum persönlich kennt, die einen auch kennen. Gleichzeitig ist man aber aus dem genau gleichen Grund ein bisschen nervöser.

pfeffingerforum.ch

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