«Das Recht, ein Mensch zu sein»: Kiewer Ausstellung erwacht in Dornach zum Leben

Die aus Aesch stammende Künstlerin Marianne Hollenstein hatte in Kiew eine Ausstellung eröffnet, doch der Krieg kam dazwischen. Am Wochenende sind ihre Kunstwerke in Dornach zu sehen.

Neues erschaffen: Marianne Hollenstein anlässlich der Performance zur Eröffnung der Ausstellung in Kiew. Foto: ZVG / Daria Biliak
Neues erschaffen: Marianne Hollenstein anlässlich der Performance zur Eröffnung der Ausstellung in Kiew. Foto: ZVG / Daria Biliak

Es war am 22. Februar 2022, kurz vor Kriegsausbruch in der Ukraine, als die aus Aesch stammende Künstlerin Marianne Hollenstein in der Bereznitsky Art Foundation in Kiew die Ausstellung «The right to be a human» eröffnete. «Die Situation war schon prekär, als ich am 17. Februar nach Kiew flog. Ich sass mit einem mulmigen Gefühl in einem mehr oder weniger leeren Flugzeug. Man stellte sich die Frage, ob man in so einer Situation eine Ausstellung eröffnen kann. Wäre nicht die Schweizer Botschaft dahintergestanden, hätte ich es nicht gemacht.»

Die Künstlerin bat eine Bekannte vor Ort, sie direkt am Flughafen abzuholen. «Ich wurde von ihr in die Galerie gebracht, wo ich auch wohnen konnte.» Die Schweizer Botschaft hielt es für angebracht, gerade wegen der schwierigen Situation auf Kunst und Kultur zu setzen, die Ausstellungseröffnung also nicht abzublasen. «Kunst gibt den Menschen das Gefühl, dass das Leben irgendwie weitergeht. Bekannte von mir in Kiew sagten: ‹Wenn du kommst, gibt es keinen Krieg› », sagt Hollenstein. Zeitgleich, als die Künstlerin nach Kiew kam, wurden schon Menschen von der Schweizer Botschaft ausgeflogen.

Der Philosophin Jeanne Hersch gewidmet

Hollenstein, die seit 20 Jahren in Ulm lebt, als performative Künstlerin aber weltweit tätig ist, widmete die Ausstellung der Schweizer Philosophin Jeanne Hersch, die an der UNO-Erklärung der Menschenrechte von 1948 mitarbeitete. «Ich habe die Ausstellung speziell für Kiew und die Menschen dort konzipiert», erzählt sie. «Ich wollte die Menschenrechte in den Fokus stellen.» Gelegenheit, sich die Ausstellung anzusehen, hatten Kunstinteressierte in Kiew aber nicht lange, da zwei Tage nach der Eröffnung der Krieg ausbrach, die Galerie geschlossen wurde und Hollenstein im Konvoi der Schweizer Botschaft die Stadt verlassen musste. «Die Strassen waren voll mit Panzern und Absperrungen. Da hatte ich schon Angst», erinnert sie sich. Zwei Jahre fristeten die Kunstwerke ein einsames Dasein in Kiew, bis Hollenstein mit einer Vertreterin der Schweizer Botschaft über Polen nach Kiew fuhr, um die Kunstwerke abzuholen und sie in die Schweiz zu bringen. «Es gab häufig Alarm, wir mussten nachts Luftschutzkeller aufsuchen oder in der Wohnung im Gang liegen.»

Ukrainische Botschafterin nimmt an Vernissage teil

Am kommenden Wochenende sind die in die Schweiz gebrachten Kunstwerke nun unter dem Titel «Das Recht, ein Mensch zu sein» im Atelier von Sarah Liz Walbeck auf dem Wydeneck-Areal in Dornach zu sehen – mit der Dornacher Künstlerin verbindet Hollenstein ein 2024 gemeinsam in Arlesheim realisiertes Kunstprojekt. Die Ausstellung am Freitag wird mit einer Performance eröffnet. Hollenstein wird dabei mit den bestehenden Kunstwerken ein neues, der Situation angepasstes Werk erschaffen. «Man wird den Raum danach nicht wiedererkennen», verrät die Künstlerin. Neben ukrainischer Musik werden für die Vernissage hohe Gäste, wie die ukrainische Botschafterin in der Schweiz, Iryna Venediktova, erwartet. «In Zeiten globaler Spannungen bietet Kunst eine wichtige Plattform für Reflexion und fördert einen sinnvollen kulturellen Austausch, indem sie Gesellschaften ermöglicht, die Welt mit den Augen des anderen zu sehen», so die Botschafterin auf Anfrage des Wochenblattes. Organisiert wird die Ausstellung, welche bis am Sonntag zu sehen ist, von Olena Chernezhenko, die für die Schweizer Botschaft in Kiew tätig war und bereits damals Hollensteins Ausstellung organisierte.

Etwas aus dem Inneren erschaffen

Hollenstein malte schon als Kind viel. Etwas aus ihrem Inneren heraus zu erschaffen, mache sie glücklich, erzählt sie. Ihre Arbeit als Bühnenbildnerin brachte Hollenstein nach Ulm. Während sie, die übrigens am Sonntag ihren 61. Geburtstag feiert, jahrelang die eigene Kunst neben der Arbeit betrieb, ist sie jetzt in der komfortablen Lage, ganz auf ihre Kunstprojekte zu setzen – aktuell arbeitet sie an einer Kunstinstallation in Tel Aviv. Was mit den Kunstwerken der Ausstellung «Das Recht, ein Mensch zu sein» passiert, weiss Hollenstein noch nicht. «Vielleicht nehme ich sie nach Ulm oder lagere ich sie im Haus meiner Mutter in Aesch.»

«Das Recht, ein Mensch zu sein»; Eröffnung: Freitag, 7. November, 18 Uhr; Öffnungszeiten Ausstellung: Samstag, 8. November, 14 bis 19 Uhr, Sonntag, 9. November, 11 bis 17 Uhr; Atelier Sarah Liz Walbeck, Weidenstrasse 50, Dornach.

«Es gab häufig Alarm, wir mussten nachts Luftschutzkeller aufsuchen oder in der Wohnung im Gang liegen.»

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