«Älterwerden erfordert Geduld»
Andreas Monsch istNeuropsychologe und leitete eines der grössten Schweizer Zentren für die Diagnostik von Hirnleistungsstörungen. Der in Aesch lebende Experte spricht über den neusten Stand der Demenzforschung und darüber, was jeder Einzelne tun kann, um das Gehirn in Schuss zu halten.

Herr Prof. Monsch, Sie werden an der Seniorenmesse in Reinach einen Vortrag mit dem Titel «Fit im Kopf ein Leben lang» halten. Können Sie uns einen kleinen Vorgeschmack geben?
Prof. Monsch: Die erste Message ist: Die einzige unausweichliche Folge des Alterns unseres Gehirns ist eine Verlangsamung. Will ich im Alter also eine Sprache lernen, geht das sehr wohl, aber ich brauche mehr Zeit, um die Vokabeln zu büffeln. Das Älterwerden erfordert also Geduld – mit uns selbst wie auch mit anderen. Die zweite Message ist: Unser Gehirn ist plastisch. Man weiss, dass das Gehirn ab 25 nicht einfach nur abbaut, sondern sich durch Training neue Neuronenverbindungen bilden. Man konnte das etwa am Beispiel der Londoner Taxifahrer zeigen, bei denen der Hippocampus, der für die räumliche Orientierung zuständig ist, so lange anwuchs, wie sie ihrer Tätigkeit nachgingen.
Und was kann ich persönlich machen, um mein Gehirn in Schuss zu halten?
Die Neuronen im Gehirn brauchen optimale Umgebungsbedingungen. Dies kann ich sicherstellen, indem ich regelmässig beim Arzt die wichtigsten Check‑ups mache. Weiter wichtig sind genügend und erholsamer Schlaf sowie eine gesunde Ernährung – also viel Gemüse und Früchte, wenig Süsses. Ausreichend Bewegung hilft den Neuronen zudem, Sauerstoff zu tanken. Am wichtigsten sind jedoch geistig anregende Tätigkeiten und soziale Kontakte.
Was bedeuten soziale Kontakte in diesem Zusammenhang?
Man sagt, dass eine Person mindestens drei ausführliche soziale Kontakte in der Woche haben sollte. Die sozialen Kontakte erfordern eine grosse kognitive Leistung, besonders dann, wenn mehrere Personen beteiligt sind. Dies trainiert unser Gehirn. Zudem wichtig ist der sensorische Input, also Sehen und Hören. Etwa 20 Prozent aller über 65‑jährigen Männer haben ein therapiebedürftiges Hörproblem. Jedoch nur die Hälfte dieser Gruppe trägt ein Hörgerät. Entscheidend aber ist ein kognitiv anregender Lebensstil. Hier muss jeder zunächst diejenigen Aktivitäten finden, die Spass machen und das Gehirn fordern – nur dann macht man es auch regelmässig.
Wie hat sich die Demenzforschung in den letzten 25 Jahren entwickelt?
In den Jahren, als ich in der Memory Clinic anfing, kamen die ersten Alzheimermedikamente, sogenannte Cholinesterasehemmer, auf den Markt. Mit diesen wurde versucht, die Arbeit der Neurotransmitter zu unterstützen. Damit konnte eine Verlangsamung der Verschlechterung erreicht werden. Es wurde aber auch nach der biologischen Grundlage von Alzheimer geforscht. Dabei stiess man auf das Amyloid-Protein, das sich ausserhalb der Nervenzellen als Verklumpungen zeigt, und das Tau-Protein innerhalb der Nervenzellen. Beide Proteine gelten heute als Ursachen der Alzheimer-Krankheit. Es wurden Antikörper gegen Amyloid entwickelt, eine Art Impfung also. Das Ergebnis war leider bis jetzt ziemlich enttäuschend: Zwar bauten die Antikörper das Amyloid ab, aber die Demenz selbst wurde praktisch nicht positiv beeinflusst. Die Pharmaindustrie führt nun auch Studien mit diesen Medikamenten bei noch gesunden Menschen durch, um herauszufinden, ob sich die Demenz so verhindern liesse. In der Diagnostik kann eine Positronen-Emissions-Tomografie, ein teures bildgebendes Verfahren in der Nuklearmedizin, das Amyloid sichtbar machen. Neue Entwicklungen erlauben nun eine wesentlich günstigere Bestimmung des Amyloids im Blut. In meiner Zeit bei der Memory Clinic entwickelten wir für die Diagnostik sehr umfangreiche Tests zur Messung der Gehirnleistung. Gerade aktuell findet eine spannende Studie statt, bei welcher die Hirnleistung mit täglichen kurzen Aufgaben auf dem Smartphone untersucht wird.
Was ist im Umgang mit von Demenz betroffenen Menschen wichtig?
Betroffene haben oft Schwierigkeiten, komplexe Situationen zu verstehen. Wenn ich mit einer an Demenz erkrankten Person rede, ist es also zentral, in einer einfachen Sprache mit kurzen Sätzen zu kommunizieren. Also keine Relativsätze, dafür kurze, klare Botschaften.
Seniorenmesse am 8. November
Nach dem Erfolg vor zwei Jahren findet am Samstag, dem 8. November, in der Weiermatthalle von 10 bis 16 Uhr zum zweiten Mal die Reinacher Seniorenmesse statt. Der Vortrag von Prof. A. Monsch ist um 10 Uhr und als Wiederholung um 14 Uhr zu hören. Und als Publikumsmagnet findet um 11.30 und 13 Uhr wieder eine Modeschau mit Models des Altersvereins statt. 27 Vereine, Firmen und Organisationen werden mit ihren Ständen präsent sein. Für das kulinarische Wohl sorgen ein Bistro, Flammkuchen und Grill. Für Gehbehinderte verkehrt zwischen 9.30 und 15.30 Uhr ein kostenloser Shuttlebus von der Haltestelle Lochacker bis zum Messegelände und retour. Der Eintritt ist frei.


