Anspruchsvoll, aufrüttelnd, poetisch
Die Geschwister Birkenmeier bieten mit «Freiheit, Gleichheit, Kopf ab» politisch-literarisches Kabarett vom Feinsten.

Isabelle Hitz
Das neue Programm von Sibylle und Michael Birkenmeier, das am 10. März im Haus neues-theater.ch seine Premiere feierte, begann nicht auf der Bühne, sondern in einem engen Kellergang. Denn nur durch diesen Gang konnte das Publikum, dem die Rolle der Flüchtlinge zugeteilt wurde, über die Bühne zu den Zuschauerplätzen gelangen. Allerdings erst, nachdem jeder den Birkenmeiers einen Fingerabdruck gegeben und eine Pille entgegengenommen hatte.
Brillante Wortspiele
Endlich angekommen, nimmt das Duo den Flüchtlingen sofort alle Illusionen: «Heimat finden heisst bei uns: ganz unten anfangen. Ihre Luftschlösser heissen bei uns Luftschutzkeller, Sie haben null Chancen, also packen Sie sie an.» Um Flucht, Flüchtlingsmanagement und Flüchtlingsströme drehte sich vieles an diesem Abend, aber nicht nur im herkömmlichen Sinn: Denn wir alle seien auf der Flucht und den Schlepperbanden ins Netz gegangen, die unseren Kopf gegen einen landesüblichen Schädel ausgetauscht hätten: «Unsere Schlepper heissen nicht Abdulla oder Mustaffa, sondern Politikaa, Lehraa oder Wirtschaftaa», erläutert Michael Birkenmeier.
Ohne moralinsauren Beigeschmack wurde mit einem Feuerwerk an Pointen und rasanten Wortspielen aufgerüttelt, man bespielte und besang grosse gesellschaftliche Themen: mal heiter-komisch, mal ernst-poetisch, immer aber mit saftigen Hieben gegen das Flüchtlingsmanagement, die schweizerische Asylpolitik, den Leistungsdruck in unseren Schulen, die «Wirtschafts- und Polit- Schlepperbande in Davos» oder das angepasste, unselbstständige Denken, das uns weit von unserer Menschlichkeit entfernt. Begleitet wurden die musikalisch-schauspielerischen Köstlichkeiten von Michael Birkenmeier am Klavier.
Verdrängte Vergangenheit
«Lasst die Menschen kommen, lasst sie ziehen», sang Sibylle Birkenmeier. Die Kontrolle hätten wir eh schon längst verloren. Der Flüchtlingsstrom der letzten Monate sei nichts anderes als «die verdrängte Vergangenheit, die uns jetzt als Zukunft entgegenkommt». Wer Waffen exportiere, muss logischerweise die Menschen aufnehmen, die vor dem fliehen, was diese Waffen anrichten.
Auch die «Strukturbereinigungen» mit ihren lautlosen Enthauptungen wurden aufgegriffen oder das europäische Bildungssystem mit seiner «Du bist, was Du leistest»-Philosophie. Da brauche man sich nicht zu wundern, dass junge Menschen mit europäischer Ausbildung in den Jihad ziehen: Der Jihad hole sie doch nur dort ab, wo die Schule sie hingebracht habe.
Mit der Aufforderung, den eigenen Kopf wieder aufzusetzen, beschlossen Sibylle und Michael Birkenmeier den humorvollen und berührenden Theaterabend: «Kopf auf, wir wollen uns neu behaupten!»
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