Mildere Strafe für Raser

Der Unfallverursacher am Gempen von 2019 wird vom Solothurner Ober­gericht zu drei Jahren teilbedingt verurteilt.

Jener Mittwochnachmittag war schön und warm. Am 19. Juni 2019 mietete Luc Keller (Name geändert) im Baselbiet ein Sportauto des Herstellers McLaren, der auch Rennautos herstellt. Er habe das Auto vor einem möglichen Kauf ausprobieren wollen, sagte Luc am Montag vor dem Obergericht.

Der damals 23-jährige IT-Jungunternehmer, der schon zwei Porsches besass, fuhr bergwärts von Dornach auf der kurvenreichen Strasse in Richtung Gempen. Zeugen sagten aus, er sei mit einem «Affenzahn» unterwegs gewesen. Er überholte mehrere Autos. Er überholte auf einer Geraden waghalsig zwei Autos und war kurz vor der Kurve wieder auf seiner Fahrspur. In die unübersichtliche Kurve hinein brauste er mit 93 bis 98 Stundenkilometern. Erlaubt wären maximal 80 gewesen – bei günstigen Sichtverhältnissen. Jedoch verlor er die Beherrschung über den Sportflitzer und geriet aus der Spur. Ein Velofahrer kam ihm korrekt fahrend entgegen. Beide bremsten, dennoch kam es zur Frontalkollision. Da betrug Kellers Tempo noch 50 bis 80 Stundenkilometer, jenes des Velos 24 bis 28. Der Velofahrer trug sehr schwere Verletzungen davon.

«Ich habe die Kurve unterschätzt»

Kellers Verteidiger Bernhard Isenring fand, der Unfall sei nur eine fahrlässige schwere Körperverletzung, wofür er eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren für angemessen hielt. Das Überholen von zwei Mercedes vor der Kurve habe keinen Einfluss auf den Unfall gehabt. Keller wäre auch sonst so schnell in die Kurve gefahren.

«Dass Keller schuld ist am Unfall, ist unbestritten», sagte der Anwalt. Doch: «Er wollte den Unfall nicht und hat eine schwere Verletzung auch nicht in Kauf genommen.» Wie bereits zuvor hat Keller an der Obergerichtsverhandlung gesagt: «Wenn ich nicht sicher gewesen wäre, hätte ich nicht überholt. Ich hätte mein Leben nicht aufs Spiel gesetzt.»

Bei Kellers Befragung staunte das Gericht mehrmals. Denn die Richter fragten ihn immer wieder, ob ihm nicht bewusst gewesen sei, dass das Überholen vor der Rechtskurve gefährlich sein könnte. Keller sagte stets, er sei sicher gewesen, dass es ihm reichen werde. Und er sei sicher gewesen, dass er die Kurve mit dieser Geschwindigkeit gut erwischen werde. Seinen Fehler sah er nur darin: «Ich habe die Kurve unterschätzt. Ich hätte stärker abbremsen müssen.»

Keller sagte, dass er seinen Job verloren habe und arbeitslos gewesen sei. Derzeit verdiene er wenig. Er habe wegen hoher Schulden einen Teil seines Vermögens abtreten müssen. Der Unfall beschäftige ihn, es tue ihm leid. Er gehe deswegen zum Psychotherapeuten. ­Seinen Führerausweis hatte er zwischenzeitlich abgeben müssen. Er fahre nur noch selten. Der Velofahrer leidet noch immer unter den Folgen des Unfalls.

«Nur» fahrlässige Körperverletzung

Das Solothurner Obergericht hielt in seinem Urteil vom Dienstag fest: Die Frontalkollision des «Gempen-Rasers» sei keine versuchte vorsätzliche Tötung, sondern fahrlässige schwere Körperverletzung. Aber das waghalsige Überholmanöver davor erfüllt die Raser-Strafnorm. Keller erhält vor Obergericht eine mildere Strafe als 2021 am Amtsgericht Dorneck-Thierstein. Statt drei Jahre und acht Monate Freiheitsstrafe unbedingt, sprach das Gericht das Urteil mit drei Jahren teilbedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren aus. Nur zwei Jahre muss er davon tatsächlich ins Gefängnis.

Er wurde nun nicht mehr wie bei der Vorinstanz wegen versuchter vorsätz­licher Tötung verurteilt, sondern eben wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung. Luc Keller habe den Velofahrer ja hinter der Kurve nicht gesehen. Somit habe er ihn nicht töten oder schwer verletzen wollen. Er habe die Kurve mit 93 Stundenkilometern viel zu schnell ­befahren, die Grenzgeschwindigkeit, welche Bodenhaftung garantiert, habe 59 Stundenkilometer betragen. Dass es zur Frontalkollision kommen würde, sei nicht zwingend gewesen, beispielsweise habe gutes Wetter geherrscht; es war nicht neblig wie in andern Fällen. Er sei auch kein Rennen gefahren.

Schlimmer erachtete das Obergericht hingegen das waghalsige Überholmanöver unmittelbar vor der Kurve, als Keller mit Tempo 100 zwei 60 Stundenkilometer fahrende Mercedes überholte. Für das Manöver habe er nur 120 Meter Platz gehabt, viel zu wenig. Wäre ein Auto entgegengekommen, wäre eine Kollision unumgänglich gewesen, ein Ausweichen unmöglich.

Hier sieht das Gericht Artikel 90 Absatz 3 des Strassenverkehrsgesetzes als gegeben an – bekannt als «Raser-Strafnorm». Keller habe vorsätzlich das Risiko von Todesopfern und Schwerverletzten in Kauf genommen, eine qualifizierte grobe Verletzung der Verkehrsregeln. Er sei sehr gefährlich gefahren.

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