Kühl-explosives Kammerstück

Mit der Installation von Katharina Fritsch und Alexej Koschkarow präsentiert das Schaulager seit 12. Juni ein bedeutendes Kunstwerk, das überaus eigenwillig und theatralisch inszeniert worden ist.

Symbolträchtig: «Das was keinen Namen hat» von Alexej Koschkarow, im Hintergrund Teil von «Bellevue».  Foto: Thomas Brunnschweiler
Symbolträchtig: «Das was keinen Namen hat» von Alexej Koschkarow, im Hintergrund Teil von «Bellevue». Foto: Thomas Brunnschweiler

Thomas Brunnschweiler

Zita – Schtschara» nennen die beiden international bekannten Künstler ihre Gemeinschaftsarbeit. «Zita» bezieht sich auf die letzte Kaiserin von Österreich, «Schtschara» auf einen weissrussischen Grenzfluss, an dem Koschkarows Urgrossvater im Ersten Weltkrieg angeschossen wurde. Der zweisprachige Titel ist ein loser Hinweis auf die Thematik der dichten und schwierigen Installation. Die sieben Werke, die in einem «Haus im Haus» in drei Räumen einen eigenen Erlebnisraum schaffen, verweisen auf Krieg, Vertreibung, Exil, Heimat, Unterdrückung, Angst, Gewalt und Tod.

Beklemmung und Bedeutungsoffenheit

Die Installation wirkt zunächst durch die vermeintliche Raumverschwendung. Die Besucher betreten eine leere Halle. Man fragt sich: Warum ist das so leer? Nur ein kleiner Eingang ermöglicht das Betreten eines dreiräumigen Innenbereichs. Zuerst fällt der Blick auf Katharina Fritschs «Puppen» (2016), drei gelbe weibliche Figuren, die in ihrer Ikonenhaftigkeit und Monochronie etwas Vertrautes, aber gleichzeitig Abweisendes ausstrahlen. Die Skulptur «Kalter Ofen» (2016) von Alexej Koschkarow ist explodierende Handgranate wie gemütlicher Ofen. Trotz der handwerklichen Präzision, der fast sterilen Ästhetik und der scheinbar klaren Bedeutung stellt sich beim Betrachter bereits eine gewisse Beklemmung ein. Im Nebenraum steht Fritschs «Sarg» (2016), ein irritierendes blau-oranges Dingsymbol. Im Raum gegenüber erhebt sich «Das was keinen Namen hat» (2016), eine Skulptur, die an ein sowjetisches Kriegsdenkmal und einen Triumphbogen erinnert. Ein stilles Grauen evoziert «Schtetl» (2012), das Modell einer jüdischen Siedlung, in dessen Mitte eine Axt steckt. Der Künstler verwendete für dieses Werk Holz des Parkettbodens seines Ateliers in Brooklyn. Mit den zwei Frottagen oder «Smearings» «Bellvue» (2014) und «Höllentor» (2012) wird das Kammerspiel abgerundet.

Fritsch und Koschkarow, die sich in Düsseldorf kennenlernten, schufen mit ihrer Arbeit einen dichten, bühnenartigen Raum, in dem der Besucher Teil der Inszenierung wird. Dramatik und Emotionalität bestimmen den Gang durch dieses Kammerstück.

Kongenialer Katalog

In der Medienkonferenz waren die Künstlerin und der Künstler anwesend und beantworteten bereitwillig Fragen. Neben der Ausstellung gibt es ein Begleitprogramm, das auf der Webseite publiziert wird. Hinzuweisen ist auf den aufwendig gestalteten Katalog, der in Inhalt und Umfang die Komplexität und die Wirkungsebenen der Installation spiegelt. Jacqueline Burckhardt, Robert Fleck, Julian Heynen und Michael Rooks untersuchen darin verschiedene Aspekte des Werks. Das «Kammerstück» lohnt einen Besuch im Schaulager auf jeden Fall.

«Zita – Schtschara», Kammerstück von Katharina Fritsch und Alexej Koschkarow. Schaulager, Ruchfeldstrasse 19, Münchenstein. Bis 2. Oktober 2016, www. schaulager.org. 

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