Haus der Elektronischen Künste stellt Schönheitsideale auf den Prüfstand

Gesichtsfilter, künstliche Intelligenz, Virtual Reality und Zukunftsvisionen zwischen Utopie und Dystopie: Im Haus der Elektronischen Künste geht es darum, wie wir uns darstellen, wie wir gerne aussehen möchten und was das mit unseren Körpern macht.

Internetperfektion: Modefotograf Daniel Sannwald generiert Fotos mit zigtausend Instagram-Bildern. Fotos: Franz Wamhof

Internetperfektion: Modefotograf Daniel Sannwald generiert Fotos mit zigtausend Instagram-Bildern. Fotos: Franz Wamhof

Porträtbilder: Welche Auswirkungen haben digitale Technologien auf die Definition 
von Schönheit in unserer Gesellschaft?

Porträtbilder: Welche Auswirkungen haben digitale Technologien auf die Definition von Schönheit in unserer Gesellschaft?

Posterwand: Die Zusammenstellung zeigt Schönheitsideale aus früheren Zeiten.

Posterwand: Die Zusammenstellung zeigt Schönheitsideale aus früheren Zeiten.

Dass mit Kylie Jenners Gesicht auf diesen Fotos etwas nicht stimmt, sieht man nicht nur auf den ersten Blick, sondern es sticht buchstäblich ins Auge: Ihre Lider sind merkwürdig verformt, eine Augenbraue fehlt, und der vermeintlich fachkundig aufgetragene bunte Lidschatten ist stark verpixelt.

Die Influencerin und Unternehmerin gilt eigentlich als Inbegriff dessen, was heute als schön empfunden wird. Der Modefotograf Daniel Sannwald hat allerdings ein KI-Programm, welches Darstellungen von Schönheit aus Zehn­tausenden Instagram-Fotos generiert, Make-up und Frisuren applizieren lassen. Herausgekommen ist dabei kein schöner Look, sondern ein verformtes Gesicht. Die Porträts von Jenner sind Teil der neuen Ausstellung «Virtual Beauty» im Haus der Elektronischen Künste (HEK). Sie will hinterfragen, wie die ­heutigen digitalen Technologien unsere Selbstinszenierungen im Internet beeinflussen und wie diese wiederum auf unsere physischen Körper rückwirken. Denn Schönheit ist ein hochpolitisches Thema: Junge Mädchen und Frauen passen ihre Körper operativ oder durch ­Injektionen digitalen Gesichtsfiltern an und Algorithmen bestimmen, was Nutzerinnen und Nutzer zu sehen bekommen – und vor allem, was nicht.

Zuversicht kommt kaum auf

Man begegnet am Freilager-Platz ästhetischen Beautysalons der Zukunft, Sexpuppen oder einer stylishen Handtasche, in der ein Embryo ausserhalb des Körpers ausgetragen werden kann. Die Arbeiten greifen damit gesellschaftliche Gemeinplätze auf, die sie teils grotesk zuspitzen, oder spielen mit Science-Fiction und ermöglichen dadurch intuitiv und mit einem bangen Schmunzeln Reflexion und Kritik. Nacktheit, Körper und Sexualität sind in der Ausstellung genauso omnipräsent wie in den sozialen Medien. Das und eine Videoarbeit von Orlan über eine Schönheitsoperation nahm das HEK zum Anlass, einen Inhaltshinweis anzubringen.

Dennoch sei nicht das Ziel, «wie in der Serie ‹Black Mirror›» nur die schlechten Seiten der Technologien zu zeigen, sagt Gonzalo Herrero Delicado, der Teil des vierköpfigen Kurationsteams ist, sondern auch deren Möglichkeiten. So nutzt Ines Alpha in ihrer interaktiven Installation digitale Gesichtsfilter nicht zur Verschönerung eines Gesichts, wie das diese in aller Regel heute tun. Vielmehr probiert sie mit fantasievollen Mustern und von Meerwasserschnecken inspirierten Formen die Möglichkeiten von digitaler Schminke jenseits der gängigen Konzepte von Schönheit aus.

Auch die Skulptur von Filip Ćustić nimmt sich die Utopie zum Ziel und plädiert für Diversität: Ein menschlicher Körper ist mit einer Vielzahl von Bildschirmen versehen, welche verschiedene Variationen der entsprechenden Körperpartien zeigen. Dadurch entstehen Menschen mit zusammengewürfelten Attributen jenseits von Geschlechteridentität, Alter und ethnischen Hintergründen. Zuversicht kommt trotz dieser optimistischeren Arbeiten in der anregenden Ausstellung kaum auf.

Insgesamt neunzehn Positionen, die trotz ihrer Digitalität häufig viel Raum einnehmen, vereint das HEK im dazu verhältnismässig kleinen Ausstellungsraum. Auffällig sind die ungewöhnlichen Sitzgelegenheiten: Fleischfarbener Stoff ist in Seile eingeschnürt und quillt aus diesem Korsett hervor. Fast so, als wäre ein Körper in ein Raster von Schönheitsidealen eingespannt. Damit regen die Sitze beim Betrachten der Arbeiten auch auf physischer Ebene zum Nachdenken darüber an, welchen Einfluss Schönheitsideale auf unsere Körperwahrnehmung haben.

Virtual Beauty: Haus der Elektronischen Künste. Freilager-Platz 9, bis 18. August.

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