Wenn der Bass die erste Geige spielt

Der weltweit bekannte britische Künstler und Filmregisseur Steve McQueen lässt das Schaulager mit seiner Klang- und Lichtinstallation «Bass» zu einem Ort werden, wo die Sinneswahrnehmung verschwimmt.

Von Farben gefluteter Raum: Die Klang- und Lichtinstallation «Bass» von Steve McQueen im Schaulager.Foto: zvg / Pati grabowicz
Von Farben gefluteter Raum: Die Klang- und Lichtinstallation «Bass» von Steve McQueen im Schaulager.Foto: zvg / Pati grabowicz

Für seine Kunst erhielt er den «Turner Prize», mit seinen Filmen gewann er den Oscar – Steve McQueen ist unbestritten ein heller Stern am modernen Kunsthimmel. Vielen dürfte er als Regisseur des Filmdramas «12 Years a Slave» bekannt sein. Der 55‑Jährige, der in London und Amsterdam lebt und arbeitet, kehrt mit seiner neuen Installation ins Schaulager zurück – an den Ort, wo ihm bereits im Jahr 2013 eine grosse Ausstellung gewidmet wurde und eine Auswahl seines vielfältigen Schaffens in einer Art Kinostadt gezeigt wurde. Mit seinem neuesten Werk «Bass», das seit Mitte Juni im Schaulager haust, bleibt McQueen seiner Faszination für das Zusammenspiel von Licht und Klang treu. Es ist jedoch gerade das abstrakte und leere Element seiner neuen Installation, das den Raum für eine Fülle von möglichen Empfindungen offenlässt.

Im Raum ohne Zeit

Von aussen ist das Schaulager eine mächtige und imposante Erscheinung, anhand derer nur schwer erahnt werden kann, wie das Innere wohl aussehen mag. Gerade bei der aktuellen Installation ist das besonders spannend, denn eigentlich sind die zwei grossen Hauptausstellungsräume fast völlig leer: ein Parkettboden, weisse Wände und einzelne Betonsäulen, welche die Decke tragen. Genau dorthin – nach oben – richtet sich jedenfalls der erste Blick der Besucherinnen und Besucher, welche die Installation sitzend, am Boden liegend oder umherwandelnd auf sich wirken lassen. An der Decke befinden sich statt der üblichen Beleuchtung über 1000 LED-Röhren, die das gesamte Farbspektrum, das vom menschlichen Auge erfasst werden kann, durchlaufen. Der Raum wird förmlich von Farben geflutet, die sich schleichend mit sanften Übergängen vom tiefsten Rot über ein strahlendes Gelb bis zum Violett über jede vom Menschen sichtbare Wellenlänge erstrecken. Mit der Zeit verschwimmt die sonst übliche Farbwahrnehmung und das Auge hat Schwierigkeiten, die Farben der eigenen Kleider abzubilden – man versinkt sozusagen in der intensiven LED-Beleuchtung. Diese hüllt einen regelrecht ein, was auch einen Einfluss auf das eigene Körpergefühl hat. So strahlen einige Farben eine angenehme Geborgenheit aus, während andere eher Unruhe auslösen.

Neben dem Licht ist die Klangkomponente der zweite Hauptdarsteller der Installation. Im Raum verstreut befinden sich eine Vielzahl von Lautsprecheranlagen und im Untergeschoss bildet ein Lautsprecherturm, der sich über das Atrium erstreckt und durch die Aufhängung fast schon schwebend wirkt, den akustischen Ausgangspunkt. Zu hören gibt es die gesamte Bandbreite von Bassfrequenzen: Wummernde Klänge, die bedrohlich wirken, gezupfte Kontrabasssaiten, sphärische Soundflächen, melodiöse Einwürfe und treibende Rhythmen vereinnahmen den Raum.

Die dreistündige Klangkomposition soll laut McQueen die Überfahrt afrikanischer Sklaven nach Amerika thematisieren, gleichzeitig aber auch die Auseinandersetzung mit sich selbst und den eigenen Gedanken im eigentlich leeren Raum anregen. Der Raum verschmilzt beim Begehen mit den Leuten, denn der dritte Akteur neben Klang und Licht ist das Publikum selbst, dessen hallende Schritte und murmelndes Geflüster ebenfalls ins Sinneserlebnis einfliessen. Die Kombination dieser Komponenten sorgt für ein Gefühl der Zeitlosigkeit, das erst beim Verlassen des Schaulagers verfliegt, wenn sich die Augen langsam wieder ans Tageslicht gewöhnt haben.

«Talking Bass»

Für die musikalische Umsetzung von «Bass» hat sich McQueen mit dem renommierten Jazzbassisten Marcus Miller aus den USA sowie vier weiteren Musikerinnen und Musikern der Schwarzen Diaspora zusammengetan. Am Sonntagnachmittag wird Miller im Rahmen eines öffentlichen Gesprächs mit dem britischen Professor Paul Gilroy im Schaulager zu Gast sein. Gilroy gilt als eine der wichtigsten Stimmen der «Postcolonial Studies» und wird mit Miller über die Rolle von Bassfrequenzen in der Schwarzen Musiktradition diskutieren. Dabei werden sie auch konkret über die Entstehung und die Hintergründe der Klangkomposition in «Bass» sprechen, die es in der Installation noch bis Mitte November zu erleben gibt.

«Talking Bass: Paul Gilroy und Marcus Miller im Gespräch» (auf Englisch). Sonntag, 5. Oktober, 16 Uhr, Schaulager. Vorverkauf: www.schaulager.org

Weitere Artikel zu «Münchenstein», die sie interessieren könnten

Der Belag ist weg: Die Geschichte zur Schluchtstrasse zeigt, wie kompliziert die Energiewende in den Quartieren sein kann.Foto: Kenneth Nars
Münchenstein08.10.2025

Energiewende sorgt für Wirrwarr

Die Gemeinde Münchenstein saniert eine Strasse und die Industriellen Werke Basel ersetzen die Gasleitung. Die Anwohnenden wünschen sich Fernwärme, werden diese…
Stilles Ende einer Partnerschaft
Münchenstein01.10.2025

Stilles Ende einer Partnerschaft

Das Kompetenzzentrum für Pädagogik, Therapie und Förderung (KPTF) nimmt kaum noch ausserkantonale Kinder auf. Der Entscheid trifft viele Familien.
Interessierte Blicke: Die MFP zeigte den Besuchenden, wie ein Auto von unten inspiziert wird.Foto: caspar reimer
Münchenstein24.09.2025

«Die Arbeit geht uns nicht aus»

Am Samstag öffnete die Motorfahrzeug-Prüfstation (MFP) ihre Tore für die Bevölkerung. Anlass war ihr 50‑jähriges Bestehen.