Anfassen erlaubt!

Berühren, spielen und nachdenken: Die Ausstellung «Earthbound» im Haus der elektronischen Künste wurde am Freitag eröffnet.

Netzbasierte Installation mit einer Augmented Reality App: Das Projekt von Ursula Endlicher verbindet Innen- und Aussenraum, Digitales mit «Natürlichem». Foto: zVg/Simulation
Netzbasierte Installation mit einer Augmented Reality App: Das Projekt von Ursula Endlicher verbindet Innen- und Aussenraum, Digitales mit «Natürlichem». Foto: zVg/Simulation

Beim Betreten des Ausstellungsraums wird man von der Decke hängenden Pflanzen begrüsst. Durch sanfte Berührung der Pflanzen können unterschiedliche Töne erzeugt werden. Genau das ist das Thema der Ausstellung «Earthbound» im Haus der elektronischen Künste (HEK): der Dialog zwischen Mensch und Natur. Er lädt dazu ein, mit der Natur auf verspielte Art und Weise zu interagieren. Dies geschieht mithilfe von modernsten Technologien, wie künstlicher Intelligenz, virtueller Realität und Augmented Reality.

Auch die Installation beim Eingang, Teil des Werks des französischen Künstlerduos Scenocosme, funktioniert dank Technologie. Die Pflanzen reagieren auf die elektrostatische Energie der Menschen. Das so erzeugte Signal wird durch die Pflanze geleitet und von einem Computer in ein Geräusch umgewandelt.

Das Werk der Künstlerin Ursula Endlicher aus New York lädt ebenfalls zur Interaktion ein: Ein Bildschirm zeigt eine Drohnenaufnahme des Areals vor dem HEK. Anhand eines Touchpads lassen sich die Auswirkungen unterschiedlicher Wetterverhältnisse auf die dort stehenden Bäume simulieren. Man hat es somit selbst in der Hand, ob die Bäume sterben oder reiche Ernte abwerfen. Draussen lässt sich die Rinde der echten Bäume wie ein QR-Code mit dem Smartphone einscannen. Wer dies tut, erhält den Code des virtuellen Baums als Bild – und kann für dieses sogar ein Non Fungible Token (NFT) erstehen. NFTs haben in jüngster Zeit die Kunstwelt revolutioniert, denn dank ihnen lässt sich auch digitale Kunst einem klaren Besitzer oder einer Besitzerin zuweisen – selbst wenn das Kunstwerk zigmal kopiert wird. Der Preis dafür beträgt 150 Dollar, wobei jeweils 50 Dollar an die Künstlerin, an das HEK und an einen guten Zweck gehen.

Sehen wie Bäume atmen

Etwas nachdenklicher stimmt das Werk von Rasa Smite und Raitis Smits, das im Rahmen eines Forschungsprojekts der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel entstanden ist. Das Künstlerpaar verwendet wissenschaftlich gesammelte Daten eines an Trockenheit leidenden Waldgebiets im Wallis. Mithilfe einer Virtual-Reality-Brille kann man ein digitales Abbild des Waldes betreten und dabei auch sehen, wie die Bäume «atmen», also wie sie Stoffe mit ihrer Umgebung austauschen. Dabei bleibt ein bitterer Nachgeschmack: Aufgrund der Trockenheit dürfte das Waldgebiet in absehbarer Zukunft absterben.

Der Klimawandel, aber auch die gegenwärtige weltpolitische Lage, verleihen der Ausstellung höchste Aktualität. Zahlreiche weitere renommierte Künstlerinnen und Künstler regen bei «Earthbound» zum Nachdenken über dringliche Umweltthemen an, insbesondere über die vielschichtige Beziehung zwischen menschlichem Handeln und dem Ökosystem. Die zu erwartende Energiekrise im Winter rückt Technologie und Nachhaltigkeit ins Zentrum der gesellschaftlichen und politischen Diskussion. Technologie wird dabei meist als Retterin gesehen, die den Ausstieg in eine CO2-neutrale Zukunft ermöglichen wird.

Doch ist sie das wirklich? Die Direktorin des HEK, Sabine Himmelbach, weist darauf hin, dass technologische Entwicklung sowohl positive als auch negative Folgen für die Umwelt haben kann. So wird künstliche Intelligenz zum Beispiel auch dazu verwendet, um nach Ölreserven zu suchen, jetzt, da der Rohstoff knapp wird. Auch Kunst spielt eine grosse Rolle bei dieser Diskussion. Himmelbach erklärt, dass Kunst die Öffentlichkeit zum Nachdenken anregen könne, indem sie neue Perspektiven eröffnet. «Aber Kunst ist nicht für die Rettung der Welt zuständig», ergänzt sie. Das sei Aufgabe der Politik.

Ursprünglich unter der Erde

Die Ausstellung wurde von der Welt­kultur-Hauptstadt 2022 Esch-Alzette in Luxemburg ins Leben gerufen. Da die Kunstszene in der zweitgrössten Stadt von Luxemburg noch sehr jung ist, haben die Initiantinnen unter anderem das HEK angefragt, ob es daran interessiert wäre, eine Ausstellung zu realisieren. Die Ausstellung fand dann – passend zum Namen – unter der Erde in einem ehemaligen Stahlwerk statt.

Der Name «Earthbound», also an die Erde gebunden, spielt übrigens auch auf die Technologieberühmtheit Elon Musk und dessen Vision an, die Welt Richtung Mars zu verlassen. Sabine Himmelbach zufolge sei die Abwanderung auf den Mars nämlich nicht die Lösung des Umweltproblems. Vielmehr müsse dieses hier auf der Erde angegangen werden.

Die Ausstellung «Earthbound» im Haus der elektronischen Künste dauert noch bis am 13. November. Geöffnet jeweils von Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr.

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