Ein Auszeit im Kloster als Inspiration fürs ganze Leben

Eine Woche lang liest sich Richard Buser im Kloster Dornach durch Tausende von Buchseiten und klinkt sich so für einen Moment aus seinem Alltag aus.

Raus aus dem Alltag, rein in die Ruhe: Richard Buser ist der erste «Aussteiger auf Zeit» – über ein Dutzend Männer und Frauen werden es ihm im Rahmen dieses Kunst- und Kulturprojekts im Kloster Dornach noch gleichtun.  Foto: Tobias Gfeller
Raus aus dem Alltag, rein in die Ruhe: Richard Buser ist der erste «Aussteiger auf Zeit» – über ein Dutzend Männer und Frauen werden es ihm im Rahmen dieses Kunst- und Kulturprojekts im Kloster Dornach noch gleichtun. Foto: Tobias Gfeller

Das Fenster im Zimmer mit dem Namen «Aufatmen» steht offen, die Sonne strahlt mit ihrer ganzen spätwinterlichen Kraft herein. Während des ganzen Morgens hat Richard Buser gelesen. Am Nachmittag spaziert er kurz durch den Klostergarten und liest danach weiter. Stundenlang. Seit Montag und noch bis Sonntag verbringt der Badener die ganze Woche im Kloster Dornach. Der 47-Jährige ist der erste Aussteiger, der das Angebot der Stiftung Kloster Dornach, sich vom persönlichen und beruflichen Alltag für eine bis vier Wochen loszureissen, angenommen hat. Bis Ende Jahr werden es weitere 17 Personen aus der ganzen Schweiz und auch aus Deutschland sein, die sich aus unterschiedlichen Beweggründen auf die Ausschreibung der Stiftung gemeldet haben.

Eines haben sie alle gemeinsam: Sie wollen raus aus ihrem Alltag, rein in die Ruhe, die sie zu sich finden lässt. «Wir wollten damit Menschen ansprechen, die sich in einem sich rasant drehenden Hamsterrad befinden, um sich Gedanken über sich persönlich und das eigene Leben zu machen», erklärt Barbara van der Meulen, Leiterin der Abteilung Kultur bei der Stiftung Kloster Dornach. Die Aussteiger erhalten für ihre Zeit im Kloster kostenlos ein Zimmer, täglich Frühstück und eine warme Mahlzeit. Im Gegenzug liefern die Aussteiger einen kulturellen Beitrag oder helfen im Klosterleben aktiv mit.

Eine Lesung als Entgelt

Richard Buser wird heute Donnerstag um 18.30 Uhr im Kloster eine Lesung mit persönlichen Interpretationen und anschliessender Diskussionsrunde über Marcel Prousts Roman «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit» durchführen. Während der sieben Tage liest der Aargauer das mehrere tausend Seiten lange gesellschaftskritische Werk konzentriert durch. «Ambient Reading» heisst dieses Umgebungslesen im Fachjargon. «Ich möchte schauen, wie die Umgebung Einfluss hat, wie ich etwas lese. Macht es einen Unterschied, ob ich im Zug oder hier in aller Ruhe und Abgeschiedenheit im Kloster lese?»

Der Architekturhistoriker fühlt sich mit der Klostertradition verbunden. Auch deshalb habe er sich auf die Ausschreibung beworben. «Das Kloster ist Auszeit und zugleich Inspiration», schwärmt Buser. Er habe sich im reellen Leben nicht verloren, stellt er klar. «Aber ich bin auf der Suche nach mir selber, möchte mich neu erfinden und Halt an einem Ort machen, der so schön ist wie das Kloster Dornach.» Den Computer hat er zu Hause gelassen. Das Smartphone schaltet er nur kurz ein, um mit seiner Partnerin, die sich in den Ferien befindet, Kontakt zu haben und die wenigen privaten E-Mails zu lesen.

Ort der Rekreation

Mit dem Projekt Aussteigen wird eine alte Klostertradition auf die heutige Zeit der Informationsflut und des Technikwahns angewendet. Das schlichte Interieur des Zimmers erinnert an längst vergangene Zeiten. Historisches Schreibmaterial, der kleine Bürotisch und Gedichte an den Wänden reduzieren das Leben auf das Wesentliche, beschreibt Barbara van der Meulen. «Das Zimmer ist ein Ort der Rekreation, der physischen und psychischen Erholung. Aus dieser Erholung wird eine Inspiration, die man nach der Auszeit wieder ins reale Leben mitnimmt.» <link http: www.klosterdornach.ch>www.klosterdornach.ch

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