Wie ein Nazi aus Hochwald einen dänischen Dichter ermordete

Der Autor Gregor Saladin bringt mit seinem neuen Tatsachenroman «Der Dichter und sein Henker» Licht in einen dunklen Teil seiner persönlichen Familiengeschichte.

Ein vielseitiger Geist: der dänische Widerstandskämpfer, Pfarrer und Dichter Kaj Munk.

Ein vielseitiger Geist: der dänische Widerstandskämpfer, Pfarrer und Dichter Kaj Munk.

Gregor Saladin hat für sein Buch «Der Dichter und sein Henker» lange recherchiert.  Foto: zvg

Gregor Saladin hat für sein Buch «Der Dichter und sein Henker» lange recherchiert. Foto: zvg

Später verhaftet: Louis Nebel auf der Polizeiwache in Kopenhagen. Foto: zvg / Polizeimuseum Kopenhagen

Später verhaftet: Louis Nebel auf der Polizeiwache in Kopenhagen. Foto: zvg / Polizeimuseum Kopenhagen

Es ist eine Geschichte, die filmreifer fast nicht sein könnte – jedoch liegt ihr eine bittere Realität zugrunde. Es ist die Erzählung davon, wie sich die Wege vom Hobler Naziverbrecher Louis Nebel mit dem dänischen Dichter und Pfarrer Kaj Munk auf verhängnisvolle Art und Weise kreuzten.

Doch alles der Reihe nach: Wir befinden uns in der Zwischenkriegszeit im überschaubaren Hochwald, wo Louis Nebel als Sohn von Kleinbauern in bescheidenen Verhältnissen aufwächst. Nach der Schulzeit besucht er das Lehrerseminar in Solothurn, wo er aber wenig sozialen Anschluss findet. Als Gegenpol zu den zu jener Zeit überwiegend sozialdemokratisch eingestellten Mitstudierenden radikalisiert er sich zu einem begeisterten Anhänger des Nationalsozialismus. Eine grosse Portion Opportunismus schwingt dabei wohl ebenfalls mit: Nebel hofft, nach einer erfolgreichen Übernahme Hitlers auf der «richtigen» Seite zu stehen. Mit gleichgesinnten Schweizer Nazis plant er erste Aktionen und schmiedet an Umsturzfantasien. Dabei wird er mehrfach von der Polizei aufgegriffen, und es drohen ihm mehrere Jahre Haft. Um sich dem zu entziehen, «flieht» Nebel im Jahr 1942 über die Grenze nach Deutschland, wo er sich freiwillig der Waffen-SS anschliesst. Dort wird er zum Agenten und Killer ausgebildet – und wegen seiner Französischkenntnisse vor allem in Frankreich eingesetzt.

Etwa zur selben Zeit regt sich im seit dem Jahr 1940 besetzten Dänemark Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht. Eine der prominentesten Stimmen ist diejenige des Pfarrers, Schriftstellers und Dichters Kaj Munk. Im Rahmen eines von Heinrich Himmler entsandten Sonderkommandos, das gezielt dänische intellektuelle Stimmen des Widerstands eliminieren soll, wird Nebel nach Dänemark geschickt. Nach einer besonders politischen Predigt in Kopenhagen, in der Munk sich sogar dem bewaffneten Widerstand nicht abgeneigt zeigt, wird er wenige Wochen später, am 4. Januar 1944, vom SS-Sonderkommando ermordet – die tödlichen Schüsse werden von Nebel abgegeben. Während Munks Leben an besagtem Tag endet, ist Nebels Geschichte noch länger nicht auserzählt.

Gegen Ende des Krieges gerät er in amerikanische Gefangenschaft und erweist sich als durchaus kooperativ, was dazu führt, dass er zum Doppelagenten wird. Eingeschleust bei den Deutschen, findet Nebel mit seinen erfundenen Heldengeschichten über angebliche Sabotageaktionen im Rücken der Amerikaner schnell wieder Anklang.

Nach dem Krieg wird er in Dänemark wegen des Mordes zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, aber nach einigen Jahren bereits wieder entlassen. Danach führt Nebel in München ein relativ normales Leben bis zu seinem Tod.

Bundesarchiv und CIA-Datenbank

Diese Geschichte recherchiert und zu Papier gebracht hat der in Arlesheim aufgewachsene Autor Gregor Saladin. Nach langen Jahren als Journalist und später als Mediensprecher der Bundesverwaltung entdeckte er als Pensionär das Bücherschreiben für sich. Nach seinen ersten Veröffentlichungen – eine Biografie über den Arlesheimer Bundesrat Emil Frey sowie zwei Reiseführer über das Tessin und das Graubünden – arbeitete er mit dem aktuellen Werk «Der Dichter und sein Henker» auch einen Teil seiner eigenen Familiengeschichte auf: Nebels erste Ehefrau war nämlich eine Grosstante von Autor Saladin. «Bei uns in der Familie wurde nicht viel darüber gesprochen, da auch nicht eindeutig klar war, wohin er damals verschwand. Natürlich gab es Vermutungen, doch das Thema war wahrscheinlich auch mit Scham behaftet.»

Ausgelöst durch einen Artikel über den Tod des Pfarrers Kaj Munk in der NZZ, wo plötzlich Louis Nebels Name auftauchte, begab sich Saladin auf Recherche. Dafür stöberte er in alten Gerichtsdossiers im Bundesarchiv, durchsuchte die öffentliche CIA-Datenbank und zog dänische Quellen sowie mündliche Überlieferungen heran.

Neue Erkenntnisse zu Nebel

Am Mittwochabend hielt Saladin im Heimatmuseum in Dornach einen Vortrag über seine Erkenntnisse und erzählte die Geschichte des Naziverbrechers aus dem Schwarzbubenland mit einer Bilderpräsentation nach. Durch seine Recherchen, die er in seinem Tatsachenroman festhielt, habe er viele Einblicke gewinnen können, jedoch könnte es auch erst der Startschuss sein, meint Saladin: «Seit der Veröffentlichung haben sich bereits mehrere Personen bei mir mit neuen Erzählungen über Nebels Leben gemeldet – wer weiss, was sich daraus noch ergeben kann.»

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