Neues Theater: Das Comeback einer vergessenen Autorin

Die Basler Schriftstellerin Ruth Waldstetter (1882–1952) genoss zu Beginn des 20. Jahrhunderts hohes Ansehen. Mit der Zeit geriet sie aber in Vergessenheit – das Neue Theater Dornach haucht ihr nun neues Leben ein.

Bühne frei: Andrea Pfaehler, Jürgen Herold, Jonas Gygax und Monika Varga (von links) bei den Proben zum aktuellen Stück des Neuen Theaters Dornach über die Basler Schriftstellerin Ruth Waldstetter.Foto: zvg / Neues Theater

Als das Team des Neuen Theaters Dornach bei der Ideensuche das erste Mal auf den Namen Ruth Waldstetter stiess, ahnte wohl niemand, welcher literarischen Goldgrube man da auf der Spur war. Der Hintergrund ist die hauseigene Projektreihe «Die Vermessung der Dörfer», die sich mit dem künstlerischen Erbe der Agglomeration rund um Basel auseinandersetzt.

Für das aktuelle Stück fiel die Wahl auf Ruth Waldstetter, die in Basel aufwuchs und nach einem längeren Aufenthalt in Paris schliesslich in Arlesheim ihren Lebensabend verbrachte. Zur damaligen Zeit war sie eine bekannte Persönlichkeit in der literarischen und journalistischen Szene. Doch ihr Leben wurde stets überschattet von grossen Geldnöten und vollen Krankenakten. Nichtsdestotrotz hinterliess sie einen reichen Fundus an Dramen, Romanen, Zeitungsartikeln und Kulturkritiken. Dieser bemerkenswerten Vita wollte das Team des Neuen Theaters nachgehen. Dafür begab sich die Dramaturgin Laure Aebi in der Universitätsbi­bliothek Basel auf Spurensuche. Glücklicherweise führte Waldstetter stets einen regen Briefwechsel mit Otto Kleiber, dem Feuilletonleiter der damaligen «National-Zeitung», die später zusammen mit den «Basler Nachrichten» zur heutigen «Basler Zeitung» fusionieren sollte. Dank Kleibers Nachlass, der auch viel Korrespondenz mit Autorin Waldstetter enthielt, war es dem Neuen Theater möglich, ihre Lebensstationen einigermassen gut nachzuzeichnen.

Einblick in den Alltag vor 100 Jahren

Das von Aebi aufbereitete und vorsortierte Material wurde dem Team vorgelegt, das sich der künstlerischen Umsetzung dieser Unmenge an handschriftlichen Briefen, Zeitungsartikeln und von ihr veröffentlichten Werken widmete. Dazu gehörte auch Schauspieler Jonas Gygax, der im Stück selbst auf der Bühne stehen wird. Er meint über den Rechercheprozess: «Es war sehr spannend, in den Alltag eines Menschen vor über 100 Jahren einzutauchen. Zu hören, wie ein Radioprogramm klang, was in den Zeitungen stand und was Lebensmittel oder ein Theaterbesuch kosteten.»

Etwas enttäuschend sei jedoch gewesen, dass nur wenig aus Waldstetters Privatleben herauszufinden war: «Ausser einzelnen Beschwerden über ihren Ex-Mann, der angeblich keine Alimente bezahlte, konnten wir nicht viel finden», erklärt Gygax. Interessant ist auch, dass der Name Ruth Waldstetter nur ein Pseudonym war, denn ihr bürgerlicher Name lautete Martha Behrens-Geering.

Eine biografische Werkschau

Die Hauptrolle im Stück, welches das verstaubte Lebenswerk von Autorin Waldstetter wieder ins Bühnenlicht zurückholt, spielen die vier von ihr verfassten Theaterstücke. Drei davon stellen zwischenmenschliche Konflikte und familiäre Beziehungsdramen ins Zen­trum. Thematisch stünden sie den Romanen des norwegischen Schriftstellers Henrik Ibsen nahe, erklärt Gygax. Das vierte Stück im Bunde tanzt aber inhaltlich ziemlich aus der Reihe: Es ist eine Adaption der Merlin-Sage, die im Frühmittelalter spielt. Darum herum erfährt man biografische Stationen von Waldstetter und wird mit Gedichten und ­Briefen chronologisch durch ihr Leben geführt. Zusätzlich fliessen eigene Reflexionen der Basler Lyrikerin Julia Rüegger über Waldstetters Leben ins Stück mit ein.

Bei der Premiere am Samstag, 19. Oktober, heisst es dann «Bühne frei für Ruth Waldstetter». Schauspieler Gygax erklärt zum Schluss: «Die Idee ist, mit uns in eine fremde Zeit an einem vertrauten Ort einzutauchen. Dabei wird man merken, dass Waldstetters Theaterstücke nach wie vor in die heutige Zeit passen. So können wir gemeinsam versuchen, sie zumindest künstlerisch wieder zum Leben zu erwecken.»

Premiere: 19. Oktober im Neuen Theater Dornach. Alle Infos finden Sie auf: www.neuestheater.ch

Weitere Artikel zu «Dornach, Gempen und Hochwald», die sie interessieren könnten

1965: Carl Lutz in Bern. Foto: KEYSTONE/Str
Dornach, Gempen und Hochwald12.11.2025

Carl Lutz: Ein fast vergessener Retter im Zweiten Weltkrieg

Das Neue Theater Dornach bringt die Heldentat des Schweizer Diplomaten Carl Lutz auf die Bühne, der gegen Ende des Zweiten Weltkriegs über 50000 jüdische…
In der Druckerei Vogt-Schild: (v. l.) Anouk Miserez, Projektleiterin, Dominique Hertzeisen, Polygraf, und Jessica Glanzmann, Anzeigenleiterin, halten den frisch gedruckten Bogen mit dem Deckblatt des «Schwarzbueb» in den Händen. Foto: Stefan Biede
Dornach, Gempen und Hochwald12.11.2025

«Dr Schwarzbueb» entdeckt Kulturoasen

Die 104. Ausgabe des Jahr- und Heimatbuchs «Dr Schwarzbueb» ist gedruckt. Hauptthema in diesem Jahr sind Kulturoasen im Schwarzbubenland und Laufental. In einer…
Wird neuer Standortförderer: Christian Imark. Foto: Archiv / Bruno Kissling
Dornach, Gempen und Hochwald12.11.2025

Dieter Künzli: «Imark soll seinen Einfluss geltend machen»

Der Vorstand des Forums Schwarzbubenland hat beschlossen, die 30‑Prozent-Stelle der Standortförderung SVP-Nationalrat Christian Imark (Fehren) anzuvertrauen.…