«In jedem Menschen steckt ein eigener Clown»
Gabriela Jüngel aus Dornach liess sich zusammen mit ihrem Mann Sebastian in der Theater- und Clownschule Yve Stöcklin in Basel zum Theaterclown ausbilden. Das Wochenblatt hat sie getroffen.

Sie trägt ein rotes Oberteil, weisse Strumpfhosen, einen Ballonrock, eine grosse gelbe Blume, zwei lustige Haarrollen, eine rote Nase und sie strahlt wie ein Maikäfer: Das ist Vanilli. Mit bürgerlichem Namen heisst die Clownin Gabriela Jüngel.
Ihre ersten neun Lebensjahre verbrachte sie im östlichen Teil Berlins. Nach dem Umzug ins grosselterliche Haus in Jena war sie oft draussen und profitierte vom Kulturdreieck Eisenach, Jena und Leipzig, in welchem Bach, Luther, Goethe und Schiller wirkten. Sie nahm Flöten- und Klavierunterricht, machte eine Lehre als Pelznäherin. Nach drei Jahren sozialer Arbeit war sie in Leipzig in einer Musikalienhandlung tätig und beteiligte sich an den Montagsdemonstrationen. Nach dem Mauerfall folgte eine Eurythmieausbildung in Nürnberg, Berlin und Spring Valley (NY).
Die «Faust»-Inszenierung am Goetheanum 2002–2004 führte sie nach Dornach. In dieser Zeit lernte sie den vielseitigen Germanisten Sebastian Jüngel kennen. 2005 heirateten die beiden. Sie gab Kurse für Eurythmie und war künstlerisch tätig. Von 2007 bis 2009 liess sie sich zur Heileurythmistin ausbilden, hat heute eine eigene Praxis und arbeitet in einem kleinen Pensum im Kindergarten der Rudolf-Steiner-Schule Birseck.
Eine anspruchsvolle Ausbildung
Im Jahr 2019 stiess das Ehepaar auf eine Clowngruppe. «Ich ging zusammen mit Sebastian an die Abschlussaufführung der Clownschule von Yve Stöcklin. Wir waren begeistert», sagt Gabriela Jüngel, «auch der Tag der offenen Tür sprach uns total an.» So entschieden sie sich, den einwöchigen Sommerkurs zu besuchen.
«Unsere Absicht war, zusammen etwas Humorvolles und Komisches zu machen.» Schon früher hatten die beiden «Nouveaux Clowns», wie man sie heute nennt, auf der Bühne zusammengearbeitet. Welche Elemente die Ausbildung umfasst, erklärt Clownin Vanilli folgendermassen: «Zur Ausbildung gehören Körperarbeit, Improvisation, Pantomime, Rollen- und Maskenspiel, Kennenlernen der Elemente der Komik und das Gromolo, ein sinnfreies Kauderwelsch. Doch: In jedem Menschen steckt sein eigener Clown.» Tatsächlich bringen Clowns keine Botschaft, sie selbst sind die Botschaft.
Ermutigende Reaktionen
«Wir haben bereits einige kurze Auftritte hinter uns», sagt Vanilli alias Gabriela. Die Pläne sind weitere Aufführungen. Die Reaktionen auf Vanilli und Topolino alias Sebastian waren bisher sehr gut. «Kinder und Eltern reagieren zuweilen unterschiedlich», haben sie erlebt.
Da die rote Nase das Gesicht verändert und manche Erwachsene beispielsweise durch Stephen Kings «Es» eine Clownphobie entwickelt haben, sind Vanilli und Topolino immer achtsam auf die jeweilige Situation. Wie würde sie sich als Clownin Vanilli beschreiben? «Ich stehe für Lebensfülle und -freude sowie Fantasie», sagt sie, «ich bin lebensbejahend und kitzle den Geist heraus. Ich habe ein grosses Herz, Interesse an allem und verbinde mich mit allem. Ich kann mich in alle Seelenstimmungen hineinfühlen, selbst ins Unwohlsein, und kann sie wandeln – so finde ich immer einen Ausweg. Ich lebe im Jetzt und überrasche immer wieder.» Auf die Fortsetzung ihrer Projekte darf man gespannt sein.