Eine mustergültige Ausstellung zur organischen Architektur

Die aktualisierte und ergänzte Ausstellung «Lebendiges Gestalten» von Pieter van der Ree ist im Goetheanum bis zum 18. Oktober zu sehen. Für Liebhaber der Architektur ist der Besuch ein Muss.

Als wäre das Haus schon immer Bestandteil der Natur gewesen: Haus Duldeck beim Goetheanum.  Foto: Thomas Brunnschweiler
Als wäre das Haus schon immer Bestandteil der Natur gewesen: Haus Duldeck beim Goetheanum. Foto: Thomas Brunnschweiler

Thomas Brunnschweiler

Dornach ist ein Hotspot der anthroposophischen Architektur und im weiteren Sinne ein Freiluftschauplatz für das organische Bauen, das untrennbar mit den Namen Rudolf Steiner, Antoni Gaudi, Hans Scharoun oder Frank Lloyd Wright verbunden ist. Für die Blüte des organischen Bauens waren einerseits Impulse des Jugendstils und des Expressionismus verantwortlich. Letzterer Einfluss ist sehr schön am Einsteinturm von Erich Mendelsohn zu sehen, ein Observatorium, das 1922 in Potsdam fertiggestellt wurde und aussieht, als nähme es die Science-Fiction-Architektur voraus.

Grundlegend bei Rudolf Steiner ist seine intensive Auseinandersetzung mit dem Werk Goethes, vor allem mit dessen Metamorphosenlehre. Metamorphose bedeutet lebendige Verwandlung: Alle Teile einer Pflanze entwickeln sich aus vorhergehenden Stufen, sodass es keine Brüche gibt. Steiner schrieb: «Man erobert sich durch die Metamorphosenanschauung das Lebendige. Man belebt damit das eigene Denken. Es wird aus einem toten zu einem lebendigen.» Auch Frank Lloyd Wright schrieb: «Eine organische Gestalt entwickelt ihre Struktur aus der gegebenen Situation heraus, so wie eine Pflanze aus der Erde wächst.» So haben beim lebendigen Gestalten die organischen Teile immer auch tragenden Charakter, etwa bei Gaudis Casa Milà oder seiner Kirche Sagrada Familia in Barcelona.

Keine dogmatische Gleichförmigkeit
Die Ausstellung besticht durch gute Farbfotografien und übersichtliche Texte. Die Ausstellungsmacher Pieter van der Ree und Marianne Schubert haben der Versuchung widerstanden, den Anteil Steiners an der organischen Architektur einseitig zu gewichten.

Natürlich dürfen auch dreidimensionale Modelle nicht fehlen: das erste Goetheanum, Wrights Haus Fallingwater oder etwa die Siedlung Lolibach von bpr architektur + design. Daneben gibt es Schaukästen mit Beispielen von Kraftableitungen und auch einzelne Möbel und Ornamentteile. Die prominentesten Beispiele wie der TWA Airport Terminal von Eeno Saarinen oder Hans Scharouns Berliner Philharmonie hinterlassen zwar einen grossen Eindruck, aber auch die kleineren Projekte im hintersten Raum, in dem anthroposophisches Schaffen aus verschiedenen europäischen Ländern, aus Afrika und Australien gezeigt wird, sind sehr sehenswert. Hier zeigt sich, dass sich der Steinersche Impuls überall anders verwirklicht und durchaus nicht zu dogmatischer Gleichförmigkeit führt.

Krisen bestimmten die Entwicklung mit
Nach den 20er-Jahren und der Weltwirtschaftskrise geriet die organische Architektur ebenfalls in die Krise und anthroposophische Baumeister realisierten meist nur Privatbauten. Erst in den 50er- und 60er-Jahren transformierten Alvar Alto, Eero Saarinen und Hans Scharoun die anfangs streng geometrische Formgebung in eine eher expressive Richtung. Wer diese Zusammenhänge genauer studieren möchte, sollte sich für die Ausstellung mindestens zwei Stunden Zeit nehmen. Ob einem nun diese Ausstellung eine architektonische Weltreise ersetzt oder zu einer solchen erst Anreiz gibt, muss der Besucher selbst entscheiden.

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