Das Wort werde Licht
Bis zum 18.Dezember beehrt der fast schon legendäre Modefotograf, Künstler und Wohltäter Onorio Mansutti den KunstRaumRhein in Dornach. Er zeigt seine Lettrografien: Worte, getaucht in Licht.

Trotz seines Alters, über das er nicht sprechen mag, ist der seit 50 Jahren weiss gekleidete und galante Onorio Mansutti immer noch eine stattliche Erscheinung mit einem kantigen Gesicht und wachen Augen. Nicht umsonst heisst Onorio «der Ehrwürdige». Noch immer ist er ein Lebemann und Charmeur. Als energiegeladener Kosmopolit, der sich nie in der Schweiz einbürgern liess – «ich bleibe sowieso immer der Italiener» –, fehlt ihm jegliche Neigung zu städtischen Traditionen wie Fasnacht oder Zunftwesen. Nach der Schule absolvierte er eine Typografenlehre und besuchte die Kunstgewerbeschule Basel. Während eines Studienaufenthalts in Paris entschloss er sich, Modefotograf zu werden. Nebenjobs als Kellner, Bauarbeiter und Bademeister finanzierten seinen Lebensunterhalt. Sein Talent wurde erkannt, und bald schon fotografierte er für «Elle», «Harper’s Bazaar», «Vogue» und «Playboy». Daneben betrieb er mehrere Basler Gastrobetriebe. 1974 begann er, Strassenkinder in Rio zu unterstützen, und gründete 1988 seine Stiftung «Kinder in Brasilien» und 2003 die Stiftung «Brasilea». Heute trägt Mansutti die höchste Auszeichnung, die Brasilien an Ausländer vergibt, sowie die Ehrendoktorwürde der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel.
Der Schalk von Dada lässt grüssen
Die Lettrografien von Onorio Mansutti basieren auf analoger Fotografie. Die vertikal oder horizontal angeordneten Diastreifen ergeben jeweils ein Wort oder meist einen ganzen Satz, der durch weitere Bildelemente ergänzt oder illustriert wird. Tucholskys Satz «Schade, dass man Wein nicht streicheln kann» wird illustriert mit weiblichen Akten samt Weinflaschen und -gläsern. Manchmal blitzt Mansuttis Schalk auch nur in der Wahl des Textes auf, etwa in «Satiren, die der Zensor versteht, werden zu Recht verboten» (Karl Kraus). Die Buchstaben wählt der Künstler nach farblichen und kompositorischen Kriterien. Die Lettrografien wirken sehr spontan und fast anarchisch. Es braucht grosse Konzentration und Sorgfalt, die Abfolge der Bilder richtig zu treffen; jede Fehlaufnahme zerstört eine ganze Serie. In einem weiteren Sinne kann man Mansuttis illuminierte fotografische Buchstabenikonen dem Lettrismus zuordnen; Dada lässt grüssen. Rein auf den ersten Blick weisen Mansuttis elaborierte Lichtwortbilder Ähnlichkeiten mit den Buchstabenbildern des italienischen Künstlers Alighiero Boetti auf. Dennoch sind Mansuttis Technik und die Darstellung der Wortbilder, die vor einer Lichttafel erstrahlen, völlig eigenständig. In dieser Kunstform treffen sich Grafik, Fotografie, malerische Gestaltung und Technik. Die Ausstellung «Es werde Licht» sollte man nicht verpassen. www.kunstraumrhein.ch