Bei der Pflege von Igeln braucht es ein «dickes Fell»

Im Frühling hat Anja Straumann eine offizielle Igelstation in Gempen eröffnet. Im Gespräch erklärt sie, warum die Population rückläufig ist und wie man die stacheligen Säuger unterstützen kann.

Gerettetes Igelchen aus Münchenstein: Anja Straumann von der Igelhilfe Baselbiet mit «Flocke» vor der Igelstation in Gempen. Foto: Jeannette Weingartner
Gerettetes Igelchen aus Münchenstein: Anja Straumann von der Igelhilfe Baselbiet mit «Flocke» vor der Igelstation in Gempen. Foto: Jeannette Weingartner

Anja Straumann läuft durch ihren Garten zu dem Pavillon, in dem sie zurzeit 15 Igel beherbergt. Seit 15 Jahren kümmert sich die Gempnerin nun schon um die stacheligen Vierbeiner. Angefangen hat sie damit, Igelsäuglinge mit der Flasche aufzuziehen. Letzten Fe­b­ruar hat sie gemeinsam mit Annette ­Mathys, die selbst eine Igelstation in Ormalingen beitreibt, den Verein «Igelhilfe Baselbiet» gegründet. Aufgrund der steigenden Nachfrage hat Straumann im Frühling die neue offizielle Igelstation in Gempen in Betrieb genommen.

Straumann kümmert sich quasi den ganzen Tag um die stacheligen Tiere: Am Morgen reinigt sie die Gehege auf der Igelstation. Je nach Anzahl der Pfleglinge nimmt das zwei Stunden in Anspruch. «Der restliche Ablauf des Tages hängt davon ab, ob und wie viele Igel aufgenommen werden», erklärt sie.

Am Nachmittag steht die Wundversorgung an. Alle Igel brauchen medizinische Betreuung – sieben davon intensive Pflege. Dafür sind am späteren Nachmittag und Abend noch einmal drei Stunden eingeplant. «Manchmal passiert es, dass an einem Tag vier Notfälle bei mir eintreffen, da kann es vorkommen, dass ich bis um 23 Uhr im Igel-Pavillon bin.» Sind Igelsäuglinge auf der Station, müssen diese zusätzliche alle zwei Stunden gefüttert werden.

«Die Arbeit mit den Igeln nimmt enorm viel Zeit in Anspruch, es geht auch nicht spurlos an mir vorbei. Man muss ein dickes Fell haben», sagt sie. So hätten einige Igel bereits Maden in den Wunden, die dann sorgfältig entfernt werden müssten. Die Igel werden aus unterschiedlichen Gründen in die Station gebracht. Einige von ihnen wurden angefahren, andere sind Fadenmähern oder Mährobotern zum Opfer gefallen. Es häufen sich aber auch Fälle von unterernährten und verwurmten Tieren, die keine Kraft mehr haben.

Insektenschwund wegen Pestiziden

«Der Igelbestand ist rückläufig. Das grösste Problem dabei ist das schwindende Nahrungsangebot», sagt Straumann besorgt. Wegen des Einsatzes von Pestiziden in der Landwirtschaft und der Zerstörung von Lebensräumen gäbe es einen «massiven Insektenschwund», wobei Insekten die Hauptnahrung des Igels sind. «Dieses Jahr hatten die Igel aufgrund der Dürreperiode kaum Nahrung. Im letzten Jahr waren die Igelstationen aufgrund der anhaltenden Nässe überfüllt», führt die Gempnerin aus.

Nebst ihrer Tätigkeit in der Igelstation arbeitet Straumann für Pro Igel Schweiz und leitet dort gemeinsam mit drei anderen Frauen die kostenlose Igel-Hotline. Täglich von 16 bis 20 Uhr können Igelnotfälle gemeldet werden – diese werden dann auf die nächsten freien Igelstationen verteilt. «Wer einen verletzen oder kranken Igel findet, sollte ihn als Allererstes sichern», erklärt Straumann. Am besten setze man ihn mit Handschuhen oder einem Frottee-Tuch in eine Kartonschachtel und melde sich bei der nächsten Igelstation oder rufe dann die Igel-Hotline an, notfalls auch einen Tierarzt.

Laktoseintoleranter Fleischfresser

Wer dem Igel etwas Gutes tun will, könne in seinem Garten vermehrt Unterschlupfmöglichkeiten anbieten. «Gut für den Igel sind zum Beispiel Hecken, die als Schutz dienen, und einheimische Pflanzen und Blumenwiesen, die die Insektenvielfalt fördern», erklärt Straumann. Auch Haufen aus Laub und Ästen oder Igelhäuschen würden gerne angenommen.

In einem Futterhaus können kleine Mengen an hochwertigem Katzenfutter angeboten werden, sofern kein anderes Tier Zugang zu dem Futter hat und eine tägliche Reinigung möglich ist. Auf Milch, Getreide oder gekauftes «Igelfutter» solle verzichtet werden, da beides für Igel schädlich ist.

Und wer kranken Igeln wieder auf die Pfötchen helfen möchte, kann die Igelstation finanziell unterstützen. Die beiden Stationen der Igelhilfe Baselbiet ­werden durch Spendengelder finanziert – Straumann hat aber auch bereits viel aus eigener Tasche beigesteuert.

Obwohl die Arbeit kräftezehrend ist, macht Straumann ihre Arbeit gerne. «Es ist sehr schön, wenn Igel wieder in die Freiheit entlassen werden oder Igelmütter mit ihren Jungen wieder vereint werden.»

Schnecken? Nur wenn’s sein muss!

Hierzulande ist der «Europäische Braunbrustigel» die verbreitetste Igelart. Das stachelige Säugetier kann eine Länge von bis zu 30 Zentimeter erreichen und hat ein Gewicht von 800 bis 1500 Gramm. Vor dem Winterschlaf, den der Igel gelegentlich kurz unterbricht, legt er Fettreserven an. Der dämmerungs- und nachtaktive Einzelgänger ist ein Insektenfresser, wobei Nacktschnecken entgegen der landläufigen Meinung nicht zu seiner bevorzugten Nahrung gehören. Jährlich gibt es pro Weibchen ein bis zwei Würfe mit bis zu 10 Jungtieren, Säuglinge aus dem zweiten Wurf haben jedoch kaum Überlebens-chancen, da sie das nötige Gewicht für den Winterschlaf nicht erreichen können. Igel können ein Alter von sieben bis acht Jahren erreichen, wobei die Sterblichkeit von Jungtieren sehr hoch ist. Ein erwachsenes Tier kann bis zu 8000 Stacheln haben.

Mehr Informationen gibt es unter pro-igel.ch und igelhilfe-baselbiet.ch.

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