Adventszeit einmal anders – als Austauschschülerin in Indien
Sonja Plüss aus Dornach weilt derzeit in Chennai, der südindischen 6,5-Millionen-Stadt am Golf von Bengalen. Sie berichtet dem «Wochenblatt» über ihre Erfahrungen in der Adventszeit.

Edmondo Savoldelli
Sonja Plüss ist 16 Jahre alt und kommt aus Dornach. Im Sommer 2013 ist sie nach Chennai (Madras) in Indien gereist, wo sie ihr Austauschjahr mit AFS, einem Schweizer Kulturaustauschprogramm, verbringt. Sie lebt bei einer Gastfamilie und besucht auch eine indische Schule. Während es in der Schweiz eisig kalt ist und der erste Schnee fällt, herrscht in Indien ein völlig anderes Klima, das gar nicht so vorweihnachtlich erscheint. Es ist die Zeit des Monsuns, von welchem Sonja völlig begeistert ist: «Die Strassen sind in einem unbefahrbaren, nur überschwimmbaren Zustand, was zwar sehr erschwerend, für mich aber extrem faszinierend ist! Und auch den unaufhörlichen, prasselnden und heftigen Regen finde ich einfach magisch.»
Während es in der Schweiz also schneit, regnet es in Indien in Strömen, und das bei «winterlichen» 24 Grad – für Sonja eine perfekte T-Shirt-Temperatur. Das sehen jedoch nicht alle so: «Das indische Volk hat einen speziellen Sinn für Temperaturen! Räume werden durch Klimaanlagen und Ventilatoren ‹angenehm kühl› gehalten, was meinen Körper in konstantes, leichtes Frieren versetzt.» Aber abgesehen von der Kälte in den Räumen ist in Indien nicht viel von der Adventszeit zu spüren. «Grüsst die Handschuhe und Mützen, die gebrannten Mandeln, Lebkuchen, die Mandarindli und Weihnachtsgutzi von mir» lacht Sonja, «Die gibt es hier nämlich gar nicht.» Nur die Weihnachtsgewürze wie Nelken, Zimt oder Ingwer vermisse sie nicht, diese habe sie dafür in ihrem täglichen Essen.
Und so herrscht auch für Sonja ein bisschen weihnachtliche Stimmung. Sonja wohnt nämlich bei einer Hindu-Familie, die eigentlich keine Weihnachten feiert. Ihre Gastfamilie wird aber trotzdem einen kleinen Weihnachtsbaum aus Plastik aufstellen und mit Kugeln dekorieren. «Die Inder lieben Feste und Kitsch! Und so dekorieren auch viele nicht christliche Familien weihnachtlich, mit Lichtern, Weihnachtskugeln und Krippen. Aber eines ist klar: Alles ist enorm kitschig!»
Hindus und Christen
Die Adventszeit, wie es sie bei uns gibt, existiert in Indien jedoch nicht. «Das Wort Advent kennt man hier gar nicht», meint Sonja, «Es gibt keine Adventskränze und auch keine Adventskalender. Praktisch alles was die Menschen in Indien über Weihnachten wissen, kommt aus den amerikanischen Filmen, die europäische Weihnachtskultur kennt man hier gar nicht. Das macht aber nichts, ich bin selber gar nicht so in Adventsstimmung, obwohl mir meine Mutter sogar einen Adventskalender geschickt hat. Das muss wohl auch am Wetter liegen!»
Für die christlichen Inder ist das Weihnachtsfest selber jedoch genauso wichtig wie in der Schweiz. «Sie gehen am Weihnachtstag teilweise sogar zweimal in die Kirche. Und an meiner Schule wird von ein paar Nonnen ein Weihnachtsmarkt veranstaltet. Hier in Chennai hat es verhältnismässig viele Christen, in kleineren Dörfern kennt man Weihnachten wahrscheinlich gar nicht.»
Sonja Plüss ist eine AFS-Stipendiatin von der Stiftung Mercator Schweiz. Die Stiftung vergibt Stipendien von bis zu 5000 Franken für einen Jahresaustausch in der Türkei, Serbien oder Indien. Die einzige Voraussetzung dafür ist, dass man zwischen 15 und 18 Jahre alt ist und sich freiwillig engagiert. Das Ziel ist, dass nach dem Aufenthalt ein kleines Projekt des Stipendiaten zustande kommt, um das jeweilige Land den Jugendlichen in der Schweiz näherzu- bringen.
Sonja ist noch bis im Sommer 2014 in Indien. Wenn sie wieder zurück in der Schweiz ist, wird sie mit ihrer CEVI-Hilfsgruppe Nachmittage zum Thema Indien gestalten, um den Kindern etwas über ihr jetziges Gastland weiterzugeben.