«Wollen Partner sein, nicht Verhinderer»
Sabine Sommerer aus Arlesheim leitet neu die Denkmalpflege Basel-Landschaft. Im Gespräch erzählt sie von ihrem Einstieg, den Herausforderungen zwischen Klimaschutz und Baukultur – und warum Denkmal-pflege weit mehr ist als Bewahrung.

Sabine Sommerer, Sie sind seit rund vier Monaten kantonale Denkmalpflegerin. Wie sind Sie gestartet?
Sabine Sommerer: Ich habe mich sehr auf diese Herausforderung gefreut und bin dementsprechend mit viel Elan gestartet. Ich hatte einen guten Start – nicht zuletzt dank meines Teams, das schon länger hier ist und den Betrieb kennt. Es ist sehr hilfsbereit. Auch die Kommissionen haben mir den Rücken gestärkt, und ich bin dankbar für die tollen Leute hier im Amt für Raumplanung.
Wie sind Sie auf die Stelle aufmerksam geworden?
Ich bin über einen Newsletter darauf aufmerksam geworden, den der Verein für Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker der Schweiz verschickt hat. Ich habe dann auch eine Reihe von Telefonaten geführt, um sicherzugehen, ob diese Stelle wirklich zu mir passt.
Sie waren lange in der Forschung tätig. Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe?
Mich reizt die Vielfältigkeit der Arbeit. Ich arbeite gerne im Team und mag es, gemeinsam Lösungen zu finden, statt allein im stillen Kämmerchen zu arbeiten. Zu diesen Teams gehören Eigentümerschaften, Bauherrschaften, Architekturbüros, Handwerksbetriebe, Gemeinden, politische Stakeholder und die verschiedenen Dienststellen wie Kantonsarchäologie, Hochbauamt, Tiefbauamt oder Bauinspektorat. Diese Zusammenarbeit macht die Arbeit abwechslungsreich.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag konkret aus?
Meine Hauptaufgabe ist der Umgang mit geschützten und schützenswerten Kulturdenkmälern. Zu meinem Alltag gehören Bauberatung, das Abwickeln des Subventionswesens, die Prüfung von Baugesuchen, Unterschutzstellungen und die Vermittlung von Kulturdenkmälern – etwa durch Publikationen, Führungen oder Spaziergänge. Zudem leite ich das Team der Denkmalpflege, bin Teil der Geschäftsleitung des Amts für Raumplanung und berate den Regierungsrat.
Welche sind die grössten Herausforderungen in Ihrer Arbeit?
Die wichtigste Herausforderung ist die Interessenabwägung – etwa zwischen Denkmalschutzgesetz, Klimaschutzgesetz oder Naturschutzgesetz. Diese Zielkonflikte verlangen viel Vermittlung. Jede Situation ist individuell; jedes Kulturdenkmal ist ein eigener Kosmos. Eine weitere Herausforderung ist der Anspruch, Baukultur zu erhalten und gleichzeitig weiterzuentwickeln. Das bedeutet oft Eingriffe in bestehende Strukturen, was anspruchsvoll ist.
Wie viele Kulturdenkmäler gibt es im Kanton?
Zurzeit haben wir 45 national geschützte Objekte, 933 kantonal geschützte Objekte – also fast 1000 – sowie rund 780 kantonal schützenswerte und gut 1900 kommunal schützenswerte Objekte. Insgesamt also rund 2700 ungeschützte, aber schützenswerte Bauten. Gerade diese bereiten uns Sorgen, weil sie den Schutzstatus noch nicht haben. Zu den Kulturdenkmälern hinzu kommen noch die 33 Ortsbilder von nationaler Bedeutung.
Warum ist der Schutz von Kulturdenkmälern so wichtig?
Weil sie unsere Identität prägen. Viele dieser Bauten und Objekte sind «ungewollte Denkmäler». Sie wurden nicht bewusst als Denkmal geschaffen, sondern sind durch ihre Geschichte und Materialität bedeutend geworden. Sie prägen unseren Alltag, geben Räumen Struktur, Form, Farbe, Atmosphäre. Diese Denkmäler sind authentisch, nicht museal, sondern lebendig. Sie stiften Zugehörigkeit und Heimatgefühl – gerade in einer mobilen Gesellschaft sind sie ein wichtiger Identitätsanker.
Wie wird entschieden, welche Bauten unter Schutz gestellt werden?
Das entscheiden in erster Hand nicht wir von der Denkmalpflege – die Eigentümerschaften kommen auf uns zu. Dann wenden wir einen Kriterienkatalog an: historischer Zeugniswert, Materialität, architektonische Qualität, Einbettung ins Ortsbild usw. Jedes Objekt wird individuell von uns beurteilt.
Welche gesetzlichen Grundlagen gelten dabei?
Für kantonal geschützte Gebäude gilt das Denkmal- und Heimatschutzgesetz (DHG). Zudem ist im DHG die gemeinsame Zuständigkeit von Kanton und Einwohnergemeinde sowie Eigentümer und Nutzerschaft zur Erfüllung dieser Aufgabe geregelt. Für kommunal geschützte Bauten ist das Raumplanungs- und Baugesetz (RBG) massgebend. Beim Kanton entscheidet letztlich der Regierungsrat, bei den Gemeinden wird das über die Nutzungsplanung geregelt.
Wie läuft ein solcher Prozess ab?
Ganz wichtig ist, dass die Denkmalpflege beratend und partnerschaftlich agiert. Wir hören uns die Anliegen an, setzen uns mit allen Beteiligten – Eigentümerschaften, Architekturbüros, Handwerksbetriebe – an einen Tisch und suchen gemeinsam Lösungen. So entsteht Rechtssicherheit, und Bauvorhaben können sorgfältig begleitet werden.
Was passiert, wenn sich jemand nicht an die Vorgaben hält?
Dann greift die Baupolizei. Es kann zu Rückbauverfügungen oder Wiederherstellungen kommen – also auch dazu, dass ein Gebäude wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt werden muss. Zum Glück sind solche Fälle selten.
Ein Beispiel war kürzlich die Rodung einer Gartenanlage in Liestal. Wie ist das zu bewerten?
Dort wurde nichts Illegales getan, aber ein wertvolles Kulturdenkmal zerstört. Rechtlich ist das schwierig zu sanktionieren –kulturhistorisch ist es jedoch sehr bedauerlich.
Die Ortsbildpflege sorgt bei Bauherren immer wieder für Irritationen. Wie bringt man Denkmalschutz und Raumentwicklung unter einen Hut?
Hier möchte ich präzisieren, dass das Problem oft nicht in der Ortsbildpflege selbst, sondern in gesetzlichen Lücken liegt. Die Ortsbildpflege kümmert sich um schutzwürdige, aber noch nicht geschützte Objekte. Diese sind besonders bedroht. Hier haben wir einen gesetzlichen Auftrag, die Objekte zu schützen und zu pflegen. Die Ortsbildpflege ist darum so wichtig, weil sie sich nicht nur um isolierte Einzelbauten, sondern um gewachsene Bauensembles kümmert. Wenn man durch den Kanton fährt, sieht man viele intakte Ortsbilder, was unseren Kanton ein Stück weit auch ausmacht.
Wie begegnen Sie dem Image, dass die Denkmalpflege nur «verhindert»?
Das ist eines meiner wichtigsten Anliegen: Wir wollen als Partnerinnen wahrgenommen werden, die helfen, hochwertige Baukultur zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zielkonflikte entstehen meist, wenn rein wirtschaftlich gedacht wird. Es gibt aber auch andere wichtige Aspekte. Wenn man die Klimastrategie des Kantons ernst nähme, müsste man statt auf Neubauten viel stärker auf Bauen im Bestand setzen – das ist ökologisch nachhaltiger. Die Denkmalpflege kann hier eine Vorbildfunktion übernehmen.
Denkmalschutz und Umweltschutz widersprechen sich in gewissen Punkten. Was wird im Zweifelsfall höher gewichtet, zum Beispiel bei Solarpanels?
Das muss man von Fall zu Fall abwägen. Meistens finden sich Kompromisse. In 97 Prozent der Fälle können Solaranlagen installiert werden. Es betrifft also nur wenige Liegenschaften, deren Eigentümerschaften dann verständlicherweise irritiert sind.
Worauf möchten Sie künftig besonders den Fokus legen?
Ich möchte der Öffentlichkeit vermitteln, dass wir Partner sind und nicht Verhinderer. Wir wollen gute Baukultur fördern und Identität und Qualität erhalten. Wir wollen auf Augenhöhe unseren Beitrag leisten zu einer baukulturellen Heimat und unserer Identitätsbildung. Ein weiterer Punkt ist, das Subventionswesen transparenter zu gestalten, mit mehr Mitteln für Eigentümerschaften. Diese Grundlagenarbeiten würden aus meiner Sicht viel für das Verständnis zu den baukulturellen Themen beitragen und – das sollte im Interesse aller sein – auch einen entscheidenden Beitrag für die Planungssicherheit der Eigentümerschaften leisten. Inhaltlich liegt mir besonders am Herzen, die grossen Wohnsiedlungen im Kanton besser zu pflegen – mit Pilotobjekten, die als Vorbilder dienen. Schön wäre, wenn wir in allen bedeutenden Siedlungen ein oder zwei Gebäude unter kantonalen Schutz stellen könnten.
Wo stehen im Birstal die nächsten grösseren Sanierungen an?
Bei den historischen Bauten in der Ermitage: die Mühle, die Schlossscheune und die Weiherdämme sowie auch einzelne historische Gartenszenen. Dazu kommen mehrere öffentliche Bauten aus den 50er- und 60er-Jahren, die saniert werden müssen. Das sind Kirchen, Kirchgemeinden und Schulhäuser, aber auch Schwimmbäder, wie beispielsweise das Garten- und Sportbad St. Jakob.
Was ist ein Denkmal?
nbl. Laut dem kantonalen Denkmal- und Heimatschutzge-setz umfassen Denkmäler nicht nur Bauwerke wie Häuser, Kirchen, Fabriken oder Schlösser, sondern auch Gartenanlagen, Strassenzüge, Ensembles, Fassaden und Dächer, aber auch einzelne Objekte wie Brunnen, Öfen oder Geschirr.


