Amtsenthebung: Es droht ein langer Rechtsstreit

Der Kirchenrat hat Pfarrer Matthias Grüninger aus seinem Amt ent­hoben. Dieser hält seine Entlassung für ungültig und will den Entscheid bis ans Kantonsgericht ziehen.

Evangelisch-reformierte Kirche: Pfarrer Matthias Grüninger will an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren. Foto: Tobias Gfeller
Evangelisch-reformierte Kirche: Pfarrer Matthias Grüninger will an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren. Foto: Tobias Gfeller

Die Meinungen im Kirchenrat waren offenbar sehr eindeutig: Einstimmig beschloss die Exekutive der Baselbieter Evangelisch-reformierten Kirche vergangene Woche, den Arlesheimer Pfarrer Matthias Grüninger seines Amtes zu entheben, und zwar mit sofortiger Wirkung. Begründet wird dies mit «unüberbrückbaren Differenzen in der Amts­führung, bewusster und wiederholter Missachtung von Weisungen sowie schwerwiegenden Dienstpflichtverletzungen», wie es in der Medienmitteilung hiess. Bereits vor anderthalb Jahren war Grüninger von der Arlesheimer Kirchenpflege freigestellt worden, die auch das Urteil des Kirchenrats veranlasst hatte.

Doch so klar der Entscheid zumindest für Aussenstehende aussehen mag: Er dürfte nur der erste Schritt einer längeren rechtlichen Auseinandersetzung darstellen. Denn der betroffene Pfarrer will sich die Demütigung einer Absetzung nicht gefallen lassen – schon nur nicht, weil er überzeugt ist, dass das Urteil rein formal nicht hätte gefällt werden dürfen. «Das ganze Verfahren ist illegal», findet er. Einige seiner Kolleginnen und Kollegen hätten sich gegen ihn verbündet und andere dazu verführt, es auch zu tun.

Nur Eingeweihte werden Vorwürfe erfahren

«Namhafte Juristen sagen mir, es ist nichts vorgefallen, was schon nur eine disziplinarische Massnahme rechtfertigen würde.» Juristische Bedenken wische der Kirchenrat nun einfach weg, indem er erkläre, das Vertrauensverhältnis sei nicht mehr gegeben. Tatsächlich ist in der Medienmitteilung die Rede davon, dass «das Vertrauensverhältnis zwischen Kirchenpflege und Pfarrperson nachhaltig erschüttert» sei. Jegliche Vermittlungsbemühungen in den vergangenen rund 18 Monaten seien ohne Erfolg geblieben, «sodass eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist».

Grüninger wird den Entscheid des Kirchenrats anfechten. Und solange der Rechtsstreit nicht abgeschlossen ist, werden wohl nur Eingeweihte wissen, was ihm genau vorgeworfen wird und warum der Streit so heftig eskalieren konnte. Sowohl die Arlesheimer Kirchenpflege als auch der kantonale Kirchenrat stellen sich auf den Standpunkt, zum Inhalt des Verfahrens könne aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine Stellung genommen werden. Das ging so weit, dass im vergangenen Jahr die Öffentlichkeit, also auch die Medien, von einer Kirchgemeindeversammlung ausgesperrt wurde. Grüninger würde zwar gerne mehr Details preisgeben, erklärt aber, er wolle sich nicht dem Vorwurf aussetzen, den angeblichen Persönlichkeitsschutz zu verletzen, solange das Verfahren läuft – und das, obwohl er die Kirchenbehörden schriftlich von der Schweigepflicht enthoben habe.

Kirche urteilt gemäss kantonalen Richtlinien

Die juristische Auseinandersetzung dürfte lange dauern. Erste Beschwerdeinstanz ist die Rekurskommission der Evangelisch-reformierten Landeskirche. Diese wird von der Synode, also dem Kirchenparlament, gewählt und funktioniert gemäss der Prozessordnung des Kantons mit einer ordentlichen Beweiserhebung und der Pflicht, alle Beteiligten anzuhören. Das schreibt der Kanton so vor. Demnach fällt das fünfköpfige Gremium nach einer Verhandlung mit allen Beteiligten unabhängig ein Urteil. Die Entscheide der Kommission sind rechtsverbindlich. Womöglich beauftragt sie im vorliegenden Fall die Vorinstanz, also den Kirchenrat, ein neues Urteil zu fassen – und das könnte viel Zeit in Anspruch nehmen.

Er will wieder Pfarrer sein

Doch Grüninger vertraut der Rekurskommission sowieso nicht. «Sie ist zu stark mit dem Kirchenrat verbandelt», ist er überzeugt. «Der Weiterzug dorthin ist nur eine Schlaufe.» Für ihn ist klar, dass er danach die Angelegenheit weiterziehen muss – und das wäre dann das Baselbieter Kantonsgericht. «Ich mache das nicht gern», sagt er. «Aber mit diesen Leuten kann man nur über Anwälte reden, es geht nicht anders.» Was der 63-Jährige anstrebt: Nicht nur rehabilitiert zu werden, sondern wieder als Pfarrer in Arlesheim zu wirken, wie dies seit 1992 der Fall war. Denn das kann er sich trotz des zerschlagenen Geschirrs immer noch vorstellen. «Vielleicht muss man schauen, dass man nicht mehr ganz so eng miteinander arbeitet, sondern mehr nebeneinander», sagt er. «Aber ich will mein Pfarramt gut abschliessen.»

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