Abenteuer Südamerika

Der langjährige Journalist und Heimweh-Arlesheimer Freddy Widmer hat einen Erzählband vorgelegt, der es in sich hat. Der spannende Band «Der Zeitgeber und andere Tode» überzeugt inhaltlich wie stilistisch.

Ortsverbunden: Freddy Widmer und sein Buch bei der Skulptur von Albert Schilling vor der Trotte.  Foto: Thomas Brunnschweiler
Ortsverbunden: Freddy Widmer und sein Buch bei der Skulptur von Albert Schilling vor der Trotte. Foto: Thomas Brunnschweiler

Freddy Widmer wuchs zusammen mit einer Schwester und vier Brüdern am Mattweg in Arlesheim auf. «Mein Vater, ausgebildeter Landwirt, war später Leiter des Freilagers, meine Mutter Wirtstochter vom Restaurant Tramstation», erzählt er. Nach der Matura am Realgymnasium Basel studierte Widmer Deutsch, Englisch, Geschichte und Jura, ohne aber einen Abschluss zu machen. Schon früh war er in Teilanstellung bei der «National-Zeitung». Bei der BaZ war er bis 1989 Mitglied der Sportredaktion und nach einem Unterbruch in der Abschlussredaktion. «Ich bin ein Naturmensch, mit vielen Tieren aufgewachsen; mein liebster Aufenthaltsort ist eigentlich der Tropenwald», so Widmer. Heute leben Widmers in Basel und in Adelboden, wo er am liebsten holzt, heut, mistet und in einer Skihütte aushilft.

Verwandlung in Literatur
Vor genau 30 Jahren bereiste Widmer mit seiner Frau Lis für ein volles Jahr Südamerika, das er 1975 aus Abenteuerlust erstmals besucht hatte. Insgesamt rund zwei Jahre hielt er sich, jeweils als Rucksackreisender, auf dem Subkontinent auf. Am Anfang sprach er kaum Spanisch, später konnte er sich mit den Menschen der spanisch sprechenden Länder gut über alltägliche Dinge unterhalten. Den Geschichten liegen eigene Erlebnisse zugrunde. «Ich strandete einmal in einem bolivianischen Urwalddörfchen», sagt er, «dort lebte ein Mann, der alle Bewohner unter der Knute hatte. Es gab kein Geld, aber dieser Dorfkönig verlangte von allen Naturalien. Später konnte ich wegen der schlechten Wetterlage das Dorf nicht mehr besuchen.» Was lag bei vielen solchen Erlebnissen näher, als ein Buch zu schreiben. Vor drei Jahren setzte sich beim Autor die Idee fest, seine Eindrücke in fiktionalen Geschichten zu verarbeiten und diese zum 30. Jubiläum der einjährigen Reise 1989/90 zu veröffentlichen. Jürg Seiberth übernahm die Gestaltung, Fredy Heller das Lektorat und Thomas Bloch produzierte das Buch.

Hommage und gültige Literatur
Das Buch ist eine Hommage an die Menschen Südamerikas, an dessen Natur und Kultur. Die Kurzgeschichten erzählen in einer berührenden Weise von Werden und Vergehen, Gefahr und Rettung, Leiden und Tod. In der Titelgeschichte «Der Zeitgeber» lässt der Autor etwas von seiner Aversion gegen sprachliche Gemeinplätze und unreflektierte Redewendungen durchscheinen. Der Esel Toyota nimmt uns danach mit auf eine Tour in die Anden, bei der ein Gringo alle Vorsichtsmassnahmen vergisst. In «Wie nichts» werden wir an die unheimliche Belchenfrau erinnert, sprachlich an den magischen Realismus von Gabriel García Márquez. «Der Dorfkönig» dagegen ist eher eine kurze Novelle als eine Kurzgeschichte. Die Pointen sind subtil, zeugen von Witz und einer tüchtigen Prise Schalk. Freddy Widmer erweist sich in seinem ersten – und hoffentlich nicht letzten – fiktionalen Werk als Meister des dichten, klaren und fast lakonischen Stils. Die Sprache ist gut getaktet, lässt Überflüssiges weg und gerinnt oft zu einem Einwortsatz. Darum ist es keine Übertreibung, diese Geschichten als Erzählperlen zu bezeichnen.

Freddy Widmer: Der Zeitgeber und andere Tode, Edition Text und Media, Arlesheim 2020, 160 S., Fr. 28.00.

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