Schulraumplanung in Aesch: «Man kann sich im Nachhinein immer gewisse Dinge vorwerfen»
Gemeindepräsidentin Eveline Sprecher (SP) spricht im Interview über das abgelehnte Kindergarten-Provisorium, fehlerhafte Studien und die künftige Schulraumplanung. Und sie erklärt, warum Aesch trotz Wachstum für die Zukunft gerüstet ist.

Vor drei Wochen beantragte der Aescher Gemeinderat einen Kredit für ein Kindergarten-Provisorium auf dem Parkplatz des Gartenbads. Die Gemeindeversammlung trat nach einer hitzigen Debatte nicht auf das Geschäft ein. Im kommenden Sommer braucht es für 30 Kinder einen Kindergartenplatz. Und auch in der Primarschule wird der Platz knapp.
Eveline Sprecher, wie geht es nun in Sachen Schulraumplanung weiter?
Eveline Sprecher: Es ist jetzt klar, dass wir die Variante mit dem Provisorium, die wir für den Sommer vorgesehen hatten, nicht umsetzen können. Die einzige Möglichkeit, die uns derzeit bleibt, ist – parallel zu allen anderen Varianten, die wir allenfalls noch prüfen – den ÖV-Betrieb aufzubauen. Wir schauen, wie wir die Kinder von A nach B bringen können, mit Begleitpersonen und allem Drum und Dran. Das verursacht selbstverständlich Kosten und ist auch organisatorisch anspruchsvoll – sicher nicht zur vollen Zufriedenheit der Eltern. Aber wir müssen das aufgleisen, damit wir im Sommer eine Lösung haben.
Was bedeutet das für das bislang geltende Quartierprinzip?
Mit dem Transport der Kindergartenkinder weichen wir vom Quartierprinzip ab, an welches wir uns bis anhin gehalten haben. Für die Kindergartenkinder ist es wichtig, dass sie lernen, den Kindergartenweg selbstständig zu gehen, dies ist mit dem Transport der Kinder nicht mehr gegeben.
An der Gemeindeversammlung stand im Raum, vielleicht gebe es doch noch eine andere Lösung. Wie könnte eine solche neue Lösung aussehen?
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Wir haben von unserer Seite alles geprüft – sogar, ob es im Gewerbegebiet freie Räumlichkeiten gibt, die sich eignen würden. Wir haben auch mit der Eigentümerin des Schützenrain-Kindergartens gesprochen, ob eine Verlängerung der Miete möglich wäre. Wenn sich jetzt aber neue Vorschläge ergeben, sind wir selbstverständlich bereit, diese anzuschauen. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass es bis Sommer 2026 von der Zeit her reicht, etwas Neues zu realisieren. Trotzdem sind wir motiviert, eine Lösung zu finden. Entweder mit dem ÖV oder mit einer anderen Variante.
Hat es nach der Gemeindeversammlung nochmals einen Austausch gegeben? Es gab ja auch den Vorwurf, die Schützenrain-Variante sei zu wenig gründlich geprüft worden.
Nein, es gibt noch keinen neuen Stand. Wir sind aber daran, die Aussagen der Votanten aus der Gemeindeversammlung zu überprüfen, und verfolgen selbstverständlich sämtliche Möglichkeiten weiter.
Der Gemeinderat wurde an der Versammlung stark für sein Vorgehen kritisiert. Wie hat Sie das getroffen?
Ich habe es einerseits verstanden, weil es hohe Kosten sind, die auf die Gemeinde zukommen. Andererseits hat mir die Wertschätzung gefehlt. Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass wir gute Arbeit geleistet haben und sämtliche Möglichkeiten geprüft haben. Ich kann verstehen, dass man mit einem Vorschlag nicht einverstanden ist. Dass aber der Verwaltung und dem Gemeinderat vorgeworfen wurde, wir hätten unsere Arbeit nicht ordentlich gemacht, damit hatte ich Mühe. Aber das ist Demokratie. Eine Gemeindeversammlung ist dazu da, zu kritisieren, zu loben und Entscheide zu treffen, und das ist auch richtig so.
War den Leuten zu wenig klar, wie akut die Lage ist?
Ich hätte auch lieber in aller Ruhe irgendwo einen neuen Kindergarten hingestellt. Wir stehen jetzt aber unter Zeitdruck und können nicht einfach eine Lösung aus dem Hut zaubern, die zum richtigen Zeitpunkt parat ist. Ich möchte betonen, dass die Verwaltung gute Arbeit geleistet hat. Wir sind überzeugt, dass unser Vorschlag gut und zeitgerecht gewesen wäre. Aber wir bleiben offen für neue Ideen und werden diese seriös prüfen.
Gibt es Stand jetzt im kommenden Sommer wie auch im Sommer 2027 für sämtliche Aescher Kinder einen Kindergartenplatz?
Wenn wir vom Quartierprinzip abweichen, die Kinder transportieren und die restlichen Kindergärten auffüllen, ist im Jahr 2026 Platz für die 30 zusätzlichen Kinder vorhanden. Dies bedingt allerdings, dass gewisse Rochaden vorgenommen werden. Der dritte Kindergarten im Tschöpperli muss aktiviert werden. Dort ist momentan das Familienzentrum Brüggli einquartiert, für dieses müssen neue Räumlichkeiten gesucht werden. Der zweite Kindergarten im Gemeindehof muss aktiviert werden. Es dürfte im Sommer 2027, wo 60 Plätze fehlen, sehr knapp werden. Überfüllte Kindergärten sind zudem eine grosse Belastung für die Lehrpersonen – insbesondere wegen des hohen Anteils an Kindern mit Deutsch als Zweitsprache. Das ist eine grosse Herausforderung und benötigt zusätzliche Assistenzpersonen.
Einige Anwesende forderten eine langfristige Lösung – also einen neuen, permanenten Kindergarten. Wird auch diese Option geprüft?
Ja, in unserer Schulraumplanung ist auf dem Schützenmatt-Areal ein DoppelKindergarten vorgesehen. Diese Planung läuft. Zeitlich ist vorgesehen, dass das bis 2031 abgeschlossen ist. Vorher reicht es schlicht nicht.
Gibt es auch Planungen an weiteren Standorten, auch beim Schützenrain?
Ja, langfristig sind weitere Kindergärten zum Beispiel in den kommenden Quartierplänen geplant. Wenn wir im Schützenrain das Land erwerben könnten, würde es für eine langfristige Lösung zeitlich nicht mehr reichen, um die Situation für die kommenden drei Jahre zu entschärfen. Und danach nimmt der Bedarf ja wieder ab, dann entspannt sich die Situation.
Auch bei der Primarschule Schützenmatt wird der Schulraum knapp, eine entsprechende Aufstockung des Kindergarten-Provisoriums wurde als Notlösung eingeplant. Braucht es dort künftig auch ein Provisorium?
Die Kinder, die jetzt in den Kindergarten kommen, treten später in die Primarschule ein. Dann fehlt uns tatsächlich Platz. Darum wollten wir das Provisorium so bauen, dass man im Notfall aufstocken könnte. Unser Ziel ist aber, andere Lösungen zu finden. Wir sind in Gesprächen, und die Hoffnung ist gross, dass wir ohne Provisorium auskommen. Denn uns ist auch klar, dass Provisorien keine optimale Lösung sind.
Was wären mögliche andere Lösungen?
Weil wir in Verhandlungen und Gesprächen sind und noch keine fixen Ergebnisse feststehen, kann ich dazu zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen.
Die Planungen für das neue Schützenmattschulhaus mit Doppel-Kindergarten für das Jahr 2031 laufen. Ist man mit diesem Bau dann gewappnet für die Zukunft?
Laut unserer Planung ja.
Kommt der Neubau also zu spät? Hätte die Gemeinde nicht früher mit der Planung beginnen sollen?
Das wird uns oft vorgeworfen. Wir hatten Prognosen, die zwar ein Wachstum voraussagten, aber nicht in diesem Ausmass. Zudem wurden mehrere Quartiere (Aere und Vivo) gleichzeitig bezogen, was nicht so geplant war. Das Quartier Aere hätte eigentlich schon früher bezogen werden sollen. Aber wir haben auf Basis der damaligen Informationen richtig entschieden.
Kinder aus diesen Quartieren sorgen jetzt aber noch nicht für den erhöhten Bedarf, das wurde ja auch an der Gemeindeversammlung aufgezeigt. Warum ist der Bedarf bereits jetzt so hoch?
Es hat in gewissen Quartieren ein Generationenwechsel stattgefunden, zum Beispiel in der St. Jakobsstrasse. Das steht im Egg auch noch bevor. Die älteren Leute bleiben möglichst lange in den eigenen vier Wänden, ziehen dann relativ zeitgleich aus und junge Familien ziehen ein.
Wurde dieses Phänomen in den Studien vernachlässigt oder warum haben die Studien die jetzige Situation nicht kommen sehen?
Heute wissen wir mehr als damals – auch über gesellschaftliche Veränderungen. Eine zeitliche Unsicherheit gibt es bei Studien immer.
Wurde die Schulraumplanung vernachlässigt, weil die Verwaltung mit anderen Bauprojekten beschäftigt war?
Nein. Wir hätten vielleicht ein Jahr früher beginnen können, aber wir hatten wichtige Projekte wie beispielsweise die Zonenplanrevision, die lange gedauert hat. Diese bietet uns jetzt auch eine wichtige Grundlage für die Schulraumplanung. Diese Projekte mussten wir weiterverfolgen. Aber das waren nicht die Gründe, warum wir nicht früher mit der Planung begonnen haben. Wir hatten einfach den erhöhten Bedarf laut unserer Studie erst in den 2030er-Jahren vorhergesehen.
Aesch ist in den letzten Jahren stark gewachsen, nun hinkt die Infrastruktur hinterher. Hätte man früher einen Stopp für neue Quartierpläne ausrufen müssen, als es passiert ist?
Rückblickend kann man immer sagen, man hätte dies oder das früher machen sollen. Wenn man die Entwicklung von Aesch anschaut, haben immer wieder Einwohnersprünge stattgefunden, beispielsweise in den 60er-Jahren. Daraufhin wurde dann auch das Schützenmattschulhaus gebaut, da war man wohl in einer ähnlichen Situation wie heute.
Nun scheint die Gemeinde aber wieder den gleichen Fehler gemacht zu haben und hat zu wenig Schulraum.
Man kann sich im Nachhinein immer gewisse Dinge vorwerfen und hätte gleich nach den Quartierplänen an die Schulraumplanung denken müssen. Aber wir konnten ja auch nicht auf Vorrat etwas bauen, als wir noch nicht genau wussten, welchen Bedarf wir haben würden. Das wäre aus meiner Sicht der schlimmste Fehler gewesen, den man machen kann. Es will schliesslich auch niemand Räumlichkeiten, die dann leer stehen. Wir wissen jetzt viel besser als damals, was in Zukunft in Aesch passiert. Darum sind wir jetzt in einer ausgezeichneten Lage, den Schulraum planen zu können.
Hat Aesch also ausgesorgt, sobald das neue Schützenmattschulhaus 2031 steht?
Nein, wir haben ja beim Planungskredit für das neue Schulhaus Schützenmatt und die Sanierung des bestehenden Schulhauses auch gesagt, dass der nächste Schritt das Schulhaus Neumatt ist. Auch das muss saniert und eventuell ausgebaut werden. Aktuell steht beim Neumatt ein Provisorium. Wenn dann aber das neue Schützenmattschulhaus bezogen ist, können wir den zukünftigen Bedarf besser abschätzen. Dann sehen wir, was beim Neumattschulhaus notwendig ist.
Im westlichen Teil von Aesch sind weitere Quartierpläne geplant. Ist die Gemeinde zuversichtlich, diesen zusätzlichen Bedarf stemmen zu können?
Bei den übrigen Quartierplänen, die aktuell auf Eis gelegt sind, sind Doppel-Kindergärten eingeplant. Wir wissen auch, dass wir die langfristig brauchen. Die zurückgestellten Quartierpläne sind in unserer Planung und unseren Studien aber immer miteingerechnet gewesen.
Fühlen Sie sich mit der jetzigen Planung gut gerüstet für die Zukunft?
Mit dem Wissen, das wir heute haben, sind wir auf dem richtigen Weg. Natürlich kann sich die Situation in einigen Jahren wieder ändern, aber mit dem neuen Schützenmattschulhaus sind wir dann gut aufgestellt.