«In Teamsportarten fällt es etwas leichter, sich zu outen»
Die Aescherin und Sportjournalistin Jeannine Borer hat zusammen mit vier Weggefährtinnen soeben ein Buch über lesbische Spitzensportlerinnen herausgegeben.

Wochenblatt: Wie ist die Idee zum Buch «Vorbild und Vorurteil — lesbische Spitzensportlerinnen erzählen» entstanden?
Jeannine Borer: Die Idee entstammt von einem Buch unserer Co-Autorin Corinne Rufli, die als Historikerin über ältere lesbische Frauen geschrieben hat. Wie bei dieser älteren Generation sind lesbische Frauen auch im Spitzensport ein Tabuthema. Da wir alle fünf einen Bezug zum Sport haben, wollten wir dieses Thema aufgreifen.
Was möchten Sie mit dem Buch erreichen?
Wir wollen die Lebensgeschichten von lesbischen Sportlerinnen erzählen. Mir persönlich ist es auch ganz wichtig, den Frauensport als solches zu fördern. Dieser fristet im Verhältnis zum Männersport ein Schattendasein. Dabei investieren diese Sportlerinnen all ihre Energie in den Sport. Unser Buch macht also starke und spannende Frauen sichtbar — ganz unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung.
Wie sind Sie vorgegangen?
Unser Netzwerk bildete die Basis. Wir kennen viele Sportlerinnen und haben diese angefragt, ob sie Interesse an unserem Projekt haben. So ergab sich eins ums andere. Wir haben mit den Sportlerinnen Interviews geführt und ihre Geschichten in Ich-Form niedergeschrieben.
Gibt es in den verschiedenen Disziplinen Unterschiede, wie lesbische Sportlerinnen wahrgenommen werden?
Die Höhe der Akzeptanz gegenüber lesbischen Sportlerinnen lässt sich nicht bestimmten Sportarten zuteilen. Man kann vielleicht sagen, dass es Teamsportlerinnen etwas leichter fällt, sich zu outen, weil da weniger die Person für sich alleine im Fokus steht. Einzelsportlerinnen dagegen können Angst haben, durch ein Coming-Out die Sponsoren zu verlieren. Diese Befürchtung hatten auch einige Frauen in unserem Buch. Ob eine lesbische Sportlerin zu sich steht, hängt aber weniger von ihrer Sportart als von ihrer Persönlichkeit ab.
Wie meinen Sie das?
Es gibt Persönlichkeiten, die voll zu dem stehen, was sie sind und was sie tun. Andere sind unsicher und halten ihr Privatleben im Hintergrund. Anderssein braucht Mut.
Es gibt das bekannte Vorurteil, dass Fussballerinnen sowieso Lesben seien. Nun ist ja nicht jedes Klischee grundsätzlich falsch. Wie sieht es im Frauenfussball tatsächlich aus?
Dass Fussballerinnen im Allgemeinen Lesben sind, ist natürlich Unsinn. Lesbische Sportlerinnen gibt es in allen Sportarten, die sexuelle Orientierung ist nicht an Sportarten gebunden. Beim Fussball ist es wahrscheinlich so: Von allen Frauen-Teamsportarten hat Fussball die grösste Aufmerksamkeit. Die Fussballerinnen sind die Bekanntesten. Da heisst es schnell mal, dass sich dort die Lesben sammeln. Ein Vorurteil.
Wird Frauen denn im Allgemeinen nicht zugetraut, eine Sportkarriere zu machen?
Das hat mit den Rollenbildern zu tun, gegen die wir ankämpfen. Solche Zuschreibungen sind bis zu einem gewissen Grad menschlich — der Mensch denkt gerne in Schubladen. Wie muss also eine Sportlerin sein? Stark, ehrgeizig, zielorientiert, muskulös. Dies sind Attribute, die man mit Männlichkeit verbindet. Verfügt aber eine Frau über diese Eigenschaften, wird sie schnell als Lesbe bezeichnet. Wieder ein Vorurteil.
Neu im Handel
28 Frauen berichten im Buch «Vorbild und Vorurteil. Lesbische Spitzensportlerinnen erzählen» von ihren Erfahrungen. Autorinnen sind Corinne Rufli, Marianne Meier,
Monika Hofmann, Seraina Degen und Jeannine Borer. Weitere Informationen: www.vorbildundvorurteil.ch