Aescher Badi-Original: «Es springt keiner so sicher wie ich»

Gerhard Pauls geniesst einen späten Ruhm: Als 87‑jähriger Turmspringer im Gartenbad Aesch ist er zu einer lokalen Berühmtheit geworden. Dem ­Wochenblatt erzählt er aus seinem Leben.

Im Delphinsprung: Gerhard Pauls wird von Jugendlichen für seine Künste bewundert. Fotos: zvg

Im Delphinsprung: Gerhard Pauls wird von Jugendlichen für seine Künste bewundert. Fotos: zvg

Gern gesehener Gast in der Badi: 
Gerhard Pauls.

Gern gesehener Gast in der Badi: Gerhard Pauls.

«Ich war schon immer ein bisschen verwegen» sagt Gerhard Pauls, von den meisten schlicht «Geri» genannt. Im Gartenbad Aesch ist der 87‑Jährige für seine Turmsprünge bekannt – neben Joggen und Nordic Walking sein liebstes Hobby. Der rüstige Mann beherrscht den ­Delphinsprung, bei dem man mit dem Rücken zum Wasser startet und in der Luft eine Drehung vollzieht, den Kopfsprung und auch den Salto vorwärts wie rückwärts. «Ich versuche, die Sprünge so schön und stilistisch wie möglich zu machen», erzählt er. Dabei sei gerade der Delphin nicht gefahrlos: «Manchmal komme ich mit dem Kopf ziemlich nahe am Brett vorbei. Das ist nicht ganz zu vermeiden, da man gerade im höheren Alter die Drehung rechtzeitig vollziehen muss.» Oft werde er von Jungen in der Badi angefeuert, sie wollen sehen, wie der alte Mann springt. «Ich sage zu ihnen: Springt ihr mal erst den Delphin. Dann sind sie meistens schnell weg», sagt er lachend.

Im Laufe der Jahrzehnte habe er knapp eine Handvoll jüngere Leute kennengelernt, die den Delphin springen. «Aber es springt keiner so sicher wie ich», sagt er stolz. Das wundert nicht, hat er sich doch über die Jahre hinweg eine Menge Erfahrung angeeignet: Seit der Eröffnung des Gartenbads im Sommer 1971 ist er Stammgast. «In den Sommermonaten, wenn das Wetter schön ist, bin ich sicher 50 bis 60 Tage hier», erzählt er.

Mit Zähigkeit durchs Leben

Gerhard Pauls – sein Vater ist slawischer, seine Mutter deutscher Abstammung – ist einer, mit dem man leicht ins Gespräch kommt, wobei man ungefragt tiefe Einblicke in Lebensgeschichte und Persönlichkeit erhält. «Ich erlebte als Kind die Bombennächte von Hamburg mit. Nachdem wir dort alles verloren hatten, wurden wir in ein Flüchtlingslager nach Flensburg umgesiedelt. Meine Mutter lernte dort einen Ukrainer kennen. Für ihn waren mein Bruder und ich eine Art ungeliebtes Anhängsel. Unter meinem Stiefvater mussten wir arbeiten wie die Knechte im Mittelalter.» Später absolvierte er eine Lehre als Maschinenbauer, begann zu arbeiten, ging aber darauf in die französische Fremdenlegion, wo er Korporal war. «Diese Zeit erklärt vielleicht meine Selbstdisziplin.»

1966 lernte er eine Schweizer Frau kennen: «Es war Liebe auf den ersten Blick. Ich merkte aber, dass sie sich in Flensburg nicht sehr wohl fühlte.» Über einen beruflichen Kontakt zog das Paar 1968 in die Region Basel, wo es zuerst in Gempen, später in Metzerlen lebte. Er arbeitete in verschiedenen lokalen Betrieben, etwa als Maschineneinrichter oder an der Fräsbank, später als freischaffender Holz- und Steinbildhauer. «Noch heute stehen Skulpturen von mir in und um unser Haus.» Reichte das Geld für reine Kunstarbeit nicht, fertigte Gerhard Pauls Grabsteine an oder nahm Gelegenheitsjobs an.

«Am Tag der Chemo bin ich nicht gesprungen»

Die körperliche Zähigkeit von Gerhard Pauls mag überraschen, leidet er doch, wie man im Gespräch mit ihm erfährt, an einem wiederkehrenden Blasenkrebs. «Nach der ersten Operation in den 1990er-Jahren hatte ich Ruhe. 2017 kehrte der Krebs aber wieder zurück und ist seither nicht gänzlich verschwunden.» Pauls vermutet, dass die Rückkehr der Krankheit – seit Januar musste er sich zwei Operationen und sechs Chemotherapien unterziehen – mit der hohen Belastung in den letzten Lebensjahren seiner Ehefrau, die an Demenz und Parkinson erkrankt war, zu tun hat. Eines Tages sei sie im Garten gestanden und habe ihn gefragt: «Was wollen Sie?» Pauls musste sich also um seine kranke Frau und das gemeinsame Haus kümmern – eine grosse Belastung. Seinerseits tut er seither alles, um körperlich fit zu bleiben. «Am Tag der Chemo bin ich nicht gesprungen, aber tags zuvor und danach schon», erzählt er, als ob das selbstverständlich wäre.

Das Geld reicht für die Badi

Für Pauls ist die Badi eine Art Ersatz für Ferien, die er sich aus finanziellen Gründen nicht leisten kann. «Meine Frau lebte ihre letzten Jahre bis zu ihrem Tod im November 2020 im Altersheim. Unser Erspartes floss also in die Pflegekosten, was bedeutet, dass ich von meiner kleinen Rente leben muss.» Sein schmales Budget sieht er als Grund, weshalb er relativ wenig Kontakt zu seinen drei Kindern und den Enkeln pflegt. Seine Rente reicht aber immerhin, um das Gartenbad Aesch zu besuchen.

Dort ist er nicht nur der berühmteste Turmspringer, sondern ein gern gesehener, geselliger Gast.

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