Nunningen ist Hauptstadt des Kantons
Für einmal muss der Kantonsrat Berge überwinden. Er tagt vier Mal in Nunningen. Eine gute Gelegenheit, um hautnah zu erleben, wie der Rat funktioniert.

Der Beginn täuschte, und wie! Händeschütteln da, Küsschen dort, Freude allenthalben! 100 Kantonsräte trafen am Dienstagmorgen bei der Turnhalle in Nunningen ein. Denn für zwei Wochen ist Nunningen die Hauptstadt des Kantons Solothurn und beherbergt die Session des Kantonsrates. Die Sonne strahlte und mit ihnen alle Kantonsräte. Sogar die 60 demonstrierenden Lehrer mit ihren bunten Transparenten trugen zur guten Laune bei. Kantonsrat scheint ein Schoggijob zu sein! Doch eine halbe Stunde später wurde man eines Besseren belehrt: In Tat und Wahrheit ist die Kantonsraterei ein Knochenjob. Nach den üblichen Vorreden geht es zur Sache, zur Teilrevision des Gesetzes über die Staats- und Gemeindesteuern. Die Fraktionssprecher ergreifen das Mikrofon und lesen ihre Reden runter: Sollen Feuerwehrleute für Sold, der über 5000 Franken beträgt, neu von den Kantonssteuern befreit werden, obwohl sie dafür Bundessteuern zahlen müssen, und obwohl das nur sehr wenige betrifft? Spätestens hier beginnt man, die Kantonsräte zu bewundern. Es braucht einen starken Willen, um den Vorlesern zuzuhören. Man ist dankbar für die Abstimmung. Ein Sold bis 10 000 Franken soll steuerbefreit sein.
Sparen, aber wo?
Mehr Herzblut floss beim Höhepunkt des Morgens, beim Massnahmenplan zur Erreichung eines mittelfristig ausgeglichenen Staatshaushaltes (auf gut Deutsch: beim Sparpaket). Bei allen fünf Departementen sollen total jährlich bis 100 Mio. Franken eingespart und mehr eingenommen werden. Diesen Schritt schlägt die Regierung vor, weil die nächsten Jahre rabenschwarz aussehen. Nach neun guten Jahren wendet sich das Blatt des Solothurner Finanzhaushaltes. Ohne diese Sparmassnahmen sieht der Integrierte Aufgaben- und Finanzplan bis 2016 einen Fehlbetrag von jährlich 120–180 Mio. Franken vor. Gut 60 Massnahmen hat die Regierung vorgeschlagen und ist damit in Teufels Küche geraten. In der Debatte fielen sehr viele unschöne Worte: Das Ganze sei ein unausgegorenes Sammelsurium ohne Sinn und Verstand, so der Tenor quer durch die Parteien. Nicht einmal bei den unumstrittenen Massnahmen gönnten sie dem Regierungsrat Lob. So könnte der Kanton die Rechnung um 600 000 Franken verbessern, wenn er Schulden effizienter betriebe und mit der Post neue Tarife aushandelte. Da stellte dann mancher Fraktionssprecher die Frage, warum solche Selbstverständlichkeiten nicht schon lange umgesetzt seien?
Vor der Session hatten 60 Lehrer aus dem ganzen Kanton gegen den Leistungsabbau protestiert. Bei der Bildung sollen jährlich bis 20 Mio. Franken eingespart werden. Der Verband Lehrerinnen und Lehrer Solothurn kann die Hälfte der 24 Sparvorschläge nicht akzeptieren. Er will die Beiträge an die kommunalen Musikschulen erhöhen und keinen Abbau von Lektionen hinnehmen. Welche Massnahmen die Kantonsräte aus dem ganzen Sparpaket herauspflücken, oder ob sie gar das Ganze an den Regierungsrat zurückweisen, darüber stimmen sie nächsten Dienstag ab.