Landwirtschaft neu denken
Während jeweils dreier Tage besuchte Nicole Egloff zwölf verschiedene Höfe. In ihrem soeben erschienenen Buch beschreibt sie Landwirtschaft, die sozial- und umweltverträglich funktioniert und trotzdem im relevanten Rahmen Nahrungsmittel produziert.

In ihrem grossen, «wilden» Garten in Nunningen pflanzt Nicole Egloff viel verschiedenes Gemüse für den Eigenverbrauch an. «Mir ist es sehr wichtig, was ich esse und wie es produziert wurde», sagt die 43-Jährige. «Die Art und Weise, wie unsere Lebensmittel entstehen, hat einen enormen Einfluss auf Klima, Umwelt, Gesundheit und soziale Fragen weltweit. Ein Weiter-so ist keine Option», ist Egloff überzeugt. Die freischaffende Journalistin wollte mehr über alternative Landwirtschaft wissen. Sie begann zu recherchieren und verbrachte im letzten Jahr jeden Monat jeweils drei Tage auf Betrieben, die beweisen, dass Landwirtschaft auch sozial- und umweltverträglich funktionieren kann und trotzdem im relevanten Rahmen Nahrungsmittel produziert. Die Fotografin Raphaela Graf hielt die Eindrücke fest. Entstanden ist das Buch «Das Radiesli stimmt mich zuversichtlich – Zwölf Bauernhöfe denken Landwirtschaft neu». Mit Reportagen und Interviews und mit weiterführenden Links ergänzt, beschreibt Nicole Egloff diese andere Art der Landwirtschaft. «Mit meinem Buch möchte ich sensibilisieren, zeigen, was es heisst, Lebensmittel anzubauen, zum Nachdenken anregen und die Wertschätzung für unsere Lebensmittel steigern.»
Nur gerade sieben Prozent eines durchschnittlichen Schweizer Haushaltsbudgets werden in Nahrungsmittel investiert. Nahrungsmittel sind extrem günstig, was dazu beiträgt, dass pro Kopf und Jahr 330 Kilogramm Lebensmittel verschwendet werden. «Ich möchte Lust machen, Höfe, die sorgfältig produzieren, in der eigenen Region zu suchen, sich mit den Menschen dort auszutauschen und wieder näher an die Lebensmittelproduktion heranzukommen», beschreibt die Autorin ihre Motivation.
40 verschiedene Kartoffelsorten auf 1000 Metern über Meer
Es sei spannend, aber auch anstrengend gewesen, auf den Betrieben mitzuarbeiten und die Lebensrealitäten kennenzulernen. Bei ihrer Recherche habe sie viel dazugelernt, sagt Egloff. Zum Beispiel auf dem Biohof Las Sorts in Filisur in Graubünden auf knapp 1000 Metern über Meer. Der Hof ist bekannt für seine Bergkartoffeln. Er produziert zwischen 50 und 80 Tonnen Kartoffeln von knapp 40 verschiedenen Sorten pro Jahr und ist weitgehend unabhängig von der Agrarindustrie. Er setzt auf alte, robuste Sorten, Mykorrhiza-Pilze und Untersaaten und schont und regeneriert die Böden, um die Erträge langfristig zu sichern. Ziel ist eine Landwirtschaft, die ökologisch, wirtschaftlich und sozial zukunftsfähig ist. «Der Boden ist die Grundlage von allem. Wenn er nicht funktioniert, bist du verloren», sagt Landwirt Marcel Heinrich.
Ein weiteres Beispiel ist das Hofgut Obere Wanne in Liestal. Das Kürbisland mit seinen rund neunzig verschiedenen Kürbissorten zieht jedes Jahr unzählige Menschen aus der ganzen Nordwestschweiz an. Der Hof setzt auf regenerative Landwirtschaft mit Direktsaat, Mulch und vielfältigen Kulturen. Er experimentiert mit Methoden wie «planting green», um Bodenleben zu fördern und Erosion zu verhindern. Herausforderungen wie nasse Witterung, Schädlinge und wirtschaftlicher Druck meistert er mit Kreativität. Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, alte Sorten und eigenproduziertes Saatgut sind zentrale Elemente seines Betriebs. «Der Boden ist das Wichtigste, was wir haben», ist auch Dieter Weber überzeugt.
Mit viel Einfühlungsvermögen schildert Nicole Egloff in ihrem Buch die harte Arbeit der Landwirtschaft. Die ausdrucksstarken Bilder laden ein, in dem knapp 300 Seiten dicken Buch zu schmökern, sich auf die Geschichten einzulassen und über sein eigenes Konsum- und Essverhalten nachzudenken.
«Das Radiesli stimmt mich zuversichtlich – Zwölf Bauernhöfe denken Landwirtschaft neu» im Buchhandel erhältlich; 4. September: Vernissage in der Alten Markthalle Basel; Lesungen unter anderem am 4. November in Nunningen; www.nicolegloff.ch