Für eine rebellische Jugend
Mit Seifenkistenrennen, Vorführungen, Fackelumzug, Musik und einer berühmten Festrednerin, nämlich mit Judith Giovannelli-Blocher, der Schwester von Christoph Blocher, organisierte der Gemeinderat Grindel zusammen mit der Damenriege eine abwechslungsreiche 1.-August-Feier.

Nein, es ist keine Absicht, sondern reiner Zufall, dass, nachdem vor zwei Jahren Ex-Bundesrat Christoph Blocher als Festredner in Grindel war, nun seine Schwester Judith Giovannelli-Blocher eine Ansprache hält», so Gemeinderätin Ursula Borer. Sie habe Frau Giovannelli an einem Tageskongress in Thun kennen gelernt und war von ihrem Referat zum Thema Alter sehr beeindruckt gewesen. Mit einer interessanten Person und einem attraktiven Programm wolle man möglichst viele Leute an das Fest locken, um zusammen die Dorfgemeinschaft zu pflegen, fügte Borer an. Dies gelang dem Gemeinderat und der Damenriege auch. Nach dem Seifenkistenrennen am Nachmittag füllte sich das Festzelt auf dem Schulhausplatz bis auf den letzten Platz und eine gemütliche, lockere Atmosphäre herrschte vor.
Der Mensch funktioniert nicht als Ich-AG
Judith Giovannelli, aufgewachsen als älteste Tochter in einer Pfarrersfamilie mit elf Kindern, engagierte sich als Sozialarbeiterin für Menschen am Rande der Gesellschaft und auch in ihrer Festrede plädierte sie dafür, dass jeder Einzelne wertvoll sei. Sie erinnerte sich an den 1. August 1945, als der Frieden in Europa zurückgekehrt war und ihr Lehrer rief: «Auf Euch, die jungen Menschen kommt es an, Ihr macht die Zukunft», und so wünsche sie sich auch heute für diese mutlose Zeit eine rebellische und mutige Jugend. Aber auch die Senioren seien wichtig und sollen ernst genommen werde. «Ich wollte nicht unbedingt eine 1.August-Rede halten. Doch wenn man mich brauchen kann, steige ich auch mit 80 Jahren noch auf einen Berg und sage etwas. Wir haben keine Altlasten.» Die Autorin, die unter anderem soeben ihre Biografie geschrieben hatte, hob die Notwendigkeit des Kontaktes untereinander hervor. Sie lobte das 500-Seelen-Dorf, welches ein solch grosses Fest zustande bringe. Oft werde nur noch über Maschinen miteinander kommuniziert, doch diese können den Kontakt von Angesicht zu Angesicht nicht ersetzen. Es sei wichtig, dass sich die Menschen real erfahren. Der Mensch könne nicht ohne andere leben, er funktioniere nicht als Ich-AG. Sie mache sich auch Gedanken über die Vertrauenskrise in den verschiedensten Bereichen und appellierte, zur Kirche Sorge zu tragen. Die Schweiz stehe in Europa an der Spitze als «gottloses Volk» mit den meisten Kirchenaustritten.
Nach ihrer 20-minütigen Rede verweilte Giovannelli noch etwas in Grindel, verfolgte das Quiz, in welchem die acht Jungbürgerinnen und Jungbürger ihr Wissen zur Schweiz testen liessen, bevor sie mit ihrem Ehemann in ihre Mietwohnung in Biel zurückkehrte.