Ein Kraftwerk weckt die Nachbarschaft

Mitten im Wohngebiet, auf dem Areal einer konkursiten Firma, entstand innerhalb weniger Monate ein Holzheizkraftwerk mit zehn Generatoren. Das erste davon lief bereits testweise im Dauerbetrieb.

Der Generatorenraum: (v. r.) Armin Hambrecht, Technischer Leiter, Martina Appel und Nicolas Maeder, beides Geschäftsleitungsmitglieder von BAK International AG.
Der Generatorenraum: (v. r.) Armin Hambrecht, Technischer Leiter, Martina Appel und Nicolas Maeder, beides Geschäftsleitungsmitglieder von BAK International AG.

Ein Langholzlader hält am Rande der Internationalen Strasse, unmittelbar neben dem Lützeler Zollhäuschen. Es rumpelt kurz, als das Dutzend geladene Stämme den Hang hinunterrollt und vor der maschinellen Säge liegen bleibt, die tagsüber stundenlang rhythmisch schnaufend Buchen- und Tannenstämme zu Brettern verarbeitet. Eine von zwei Sägereien im Grenzdorf Kleinlützel in einem nur dünn besiedelten Quartier. Das war vor 40 und mehr Jahren.

Seit da ist die Sägerei Geschichte und das Areal im westlichen Teil des Dorfes wurde fortan für andere Gewerbezwecke genutzt, weitgehend ruhig und unspektakulär. Seit rund vier Wochen ist alles anders.

Im Dauerbetrieb — also auch nachts und am Wochenende — lief hier ein Generator und produzierte aus Holzschnitzeln Strom und Abwärme. Das neue Holzheizkraftwerk lief im Testbetrieb und soll in wenigen Monaten auf insgesamt zehn solcher Holzvergasermotoren hochgefahren werden. Mit fragwürdigem Wirkungsgrad. «Lediglich ein Drittel der produzierten Energie wird zu Strom, zwei Drittel gehen als Abwärme in die Luft», weiss ein gut informierter Nachbar. Der Name «Holzheizkraftwerk» sagts deutlich: Die Abwärme sollte als Fernheizung genutzt werden, wenn sich dazu nur Abnehmer finden würden.


«Die Nachbarschaft steht im Bett»
Im Abstand von lediglich 20 Metern stehen zwei Wohnblöcke und mehrere Einfamilienhäuser, deren Bewohner in den vergangenen Tagen schlecht schliefen. «Das monotone Geräusch durch den Dauerbetrieb des Generators wird im Zehnminutenabstand vom scheppernden Nachschieben der Holzschnitzel durch eine Förderschnecke gesteigert», erklärt ein Anwohner, der südlich der Anlage wohnt. Eine Bewohnerin aus der gegenüberliegenden Seite setzt noch einen drauf: «Da stehst du im Bett. Seit Beginn des Betriebs ist Schlafen nahezu unmöglich.» Ferner beklagten sich die Anwohner über Rauch und Gestank, «was offene Fenster unmöglich macht», wie eine weitere Nachbarin wettert. Zudem kam es zu spürbaren Vibrationen, das zeigt ein mit dem Handy aufgezeichnetes Filmchen von einem Wasserglas auf einem Stubentisch. Der Leidensdruck wurde schliesslich so gross, dass die betroffenen Anwohner einen Anwalt einschalteten und eine Petition gegen das Kraftwerksprojekt starteten, welche am letzten Samstag, unterschrieben von 571 Kleinlützelern, auf der Gemeindeverwaltung eingereicht wurde.


Alles im grünen Bereich?
Die Recherchen des Wochenblatts führten nebst Baukommission, Gemeinde und Kanton auch zur Betreiberfirma BAK International AG mit Sitz in Zürich, die schon tags darauf mit drei Personen auf dem Areal erschien, den Schreibenden durch die auf Pyrolysebasis funktionierende Anlage führte und über alle Einzelheiten informierte. Das schweizweit erste Holzheizkraftwerk der deutschen Firma Lipro Energy mit einer Leistung von 500 Kilowatt, was im jährlichen Dauerbetrieb einer Strommenge von rund 3,75 Gigawattstunden (GWh) entspricht, sollte laut Nicolas Maeder, Mitglied der BAK-Geschäftsleitung, diesen Frühherbst in Produktion gehen. «Wenn die Bauarbeiten, für welche in Kürze noch eine Ausschreibung im Wochenblatt folgen soll, abgeschlossen sind, wird die Umgebung von den kürzlich störenden Lärm- und anderen Immissionen weitgehend erlöst», verspricht Armin Hambrecht, technischer Leiter des Projekts. Unter anderem werde nach der amtlichen Genehmigung dieser zweiten Baueingabe noch die gesamte Anlage optisch ansprechend verhüllt und schallisoliert, so dass man ausserhalb der Anlage praktisch nichts mehr wahrnehme. «Der Testbetrieb des einen Generators, der übrigens mit einer provisorischen Schnecke gefüttert wurde, hat mit dem endgültigen Betrieb nichts zu tun», ergänzt Martina Appel, ebenfalls Mitglied der Geschäftsleitung.


Mangelnde Kommunikation?
Die Bevölkerung opponiert geschlossen gegen die neue Anlage. Eine Anfrage auf der Gemeinde bleibt unbeantwortet. Nicht weil man nicht antworten wolle, wie Verwalterin Claudia Linemann mitteilt, sondern weil man schlichtweg nicht informiert sei. Ähnlich beim Kanton. Dass die Anlage in Betrieb war, habe er auch erst von den Nachbarn erfahren, erklärt Thomas Mayer vom Amt für Umwelt. Trotzdem räumt er ein: «Wenn alles korrekt verläuft, ist es möglich, dass eine solche Holzheizkraftwerk-Anlage an diesem Standort, der in einer Gewerbezone liegt, in Betrieb gehen kann.»

Die eigentlichen Probleme bei diesem Projekt scheinen also vorwiegend auf der Ebene mangelnder Information von Seiten des Betreibers, aber auch im Bereich Kommunikation zwischen Betreiber, Behörden und Bevölkerung zu liegen.

Wie sinnvoll und umweltfreundlich der Betrieb eines Holzheizkraftwerks ist, das zwar etwas Strom, aber eine weitaus grössere Menge ungenutzte Abwärme produziert und dazu wöchentlich mit fünf bis sieben LKW beliefert wird, steht auf einem anderen Blatt.

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