Ein grosser Schwarzbueb ist verstummt

Vor etwas über einer Woche hat Walter Studer im 97. Altersjahr seine Augen für immer geschlossen. Der Ingenieur, Erfinder, Autor, Sammler und Kunstschaffende hinterlässt ein kaum überblickbares Oeuvre.

Für immer verstummt: Walter Studer vor den von ihm geretteten Kirchenfenstern der alten Breitenbacher Kirche. Foto: Thomas Brunnschweiler

Der allseits bekannte alte Mann mit der grauen Einstein-Mähne war ein Breitenbacher durch und durch. Hier, in seinem Heimatort, geboren, lebte und wirkte er fast ein Jahrhundert lang. «Ich glaube, ich wollte nirgendwo anders geboren sein als hier in Breitenbach», schrieb er 1988. Breitenbach hat ihn geprägt, und er ebenso Breitenbach. So ist er auch unter einem noch nicht bearbeiteten Eintrag in der Wikipedia unter den Breitenbacher Persönlichkeiten aufgeführt, obwohl die Beziehung zwischen ihm und der Gemeinde nicht immer ganz konfliktfrei war. Der Leserschaft des «Wochenblatts» Studers Schaffen vorzustellen, hiesse, Wasser in den Rhein zu tragen. Er, der mit vierzig noch den Abschluss in Elektrotechnik an der HTL-Abend-Ingenieurschule Solothurn-Grenchen machte, hatte schon eine lange Karriere als Mechaniker, Formenbauer für Kunststoffe, Fabrikationschef, Entwickler und Designer von Haushaltsapparaten und von Kabeln und Drähten hinter sich. Während seiner Zeit bei der Brac bekam er das Patent für eine Plastikuhr, die aber aus Skepsis gegenüber einer solch «verrückten Idee» nie produziert wurde; ­einige Jahre später sollte ein gewisser Nicolas Hayek den Markt mit der Swatch-Uhr aus Plastik erobern. In der Isola gelang es Studer, das dünnste Kabel der Welt herzustellen. Auch im Jahreskalender «Schwarzbueb» stellte der Tüftler seine neuesten Erkenntnisse immer wieder einer verblüfften Leserschaft vor.

Neben dem bravourösen technischen Schaffen betätigte sich Studer auch als Journalist, Schriftsteller, Lokalhistoriker, Dorfchronist und Fotograf. Sein Arbeitsgebiet umfasste Collage, Foto, Film und Video sowie Plastik und Objekte. So wurde sein Haus an der Fehrenstrasse mit der Zeit ein Gesamtkunstwerk, vollgepackt mit Ordnern, Büchern und Kunstwerken aller Art. Studer war ein Autodidakt, ein «Dilettant» im besten Sinne und ein Allrounder, wie es sie selten noch gibt.

Der umtriebige Autor

Zwischen 1982 und 2022 hat Walter Studer 18 eigenständige Publikationen veröffentlicht. Sie reichen von «Auf einen Nenner gebracht» bis zur «Spätlese». Am bekanntesten dürften die «Laufentaler und Thiersteiner Schmunzelgeschichten» sein. Für die religiöse Leserschaft ist wohl das Buch «Das Wunder von Sachseln» wichtig geworden, ein Tatsachenbericht über die wundersame Heilung von Ida Jeker aus Büsserach. Nebst den Büchern schrieb Studer auch Beiträge zu Sammelwerken sowie viele Artikel für Zeitungen, «Dr Schwarzbueb», das «Laufentaler Jahrbuch», die «Jurablätter» und andere Periodika. Dazu war Studer ein wunderbarer Erzähler und Fabulierer. Er war ein Meister der Abschweifung und kam vom Hundertsten ins Tausendste, wobei man als Zuhörer immer gebannt dem erzählerischen Gewebe folgte. Seine vielseitigen Tätigkeiten als Chronist, ­Lokalhistoriker und Autor brachten Studer auch einige Auszeichnungen ein. Im Jahr 1988 — der Geehrte stand im 60. Altersjahr — erhielt Walter Studer den Kulturpreis des Kantons Solothurn. Er war auch Mitglied in verschiedenen Vereinen, etwa im Historischen Verein des Kantons Solothurn, dem Hebelbund Lörrach oder bei den Raurachischen Geschichtsfreunden. Studer war ebenfalls politisch tätig, je vier Jahre als Mitglied des Gemeinde- und des Kirchenrates von Breitenbach. Wenn ihm jemand ins Gehege kam, war nicht gut Kirschen essen mit ihm.

Thiersteiner Urgestein mit Widersprüchen

Tatsächlich war Studer in mancherlei Hinsicht ein liebenswerter Dickschädel. Das hatte biografische Gründe. Seine Kindheit schildert er in seinen Erinnerungen als schön, aber die Familie musste auch manchen Schicksalsschlag erdulden, der nicht so leicht wegzustecken war. Da Walter Studer in der Schulzeit oft geneckt wurde und später in der ­Arbeitswelt nicht von Anfang an über ein Diplom — «ein Papierli», wie er sich ausdrückte — verfügte, fühlte er sich in seiner Arbeit nicht immer ernst genommen. Die Chefetage war misstrauisch gegenüber seinen teilweise brillanten Ideen. So erlebte der technisch versierte Allrounder manche Zurücksetzung. Bis am Ende seines Lebens sprach er immer wieder vom Neid der anderen. Dieses Trauma der frühen Jahre hat Studer leider nie ganz überwunden, auch als er die Klage über den Neid längst nicht mehr nötig gehabt hätte. So interpretierte er auch gern jede Kritik als Missgunst, obwohl gerade in seinem literarischen Werk eine wohlwollende korrigierende Hand häufig nötig gewesen wäre. Doch er liess sich auch hier nicht hereinreden. Vielleicht waren es aber gerade dieser Eigenwille und diese Widerborstigkeit, die Walter Studer ein so langes Leben beschert haben. Fast angeboren schien ihm eine riesige Neugierde für alles: die Natur, die Technik, die Literatur und das Leben. Aus dieser Neugierde, gepaart mit einem stahlharten Willen, erwuchs ihm eine grosse Resilienz, eine Abwehrkraft gegen die Unbilden des Lebens. Selbst Corona überstand er wie andere einen leichten Schnupfen. Und er war ein Mensch mit Widersprüchen. In mancherlei Hinsicht war er seiner Zeit voraus, in anderen Bereichen lebte er noch ganz in der Vergangenheit. Er war einerseits durchaus kirchenkritisch, was das herrschende Kirchenrecht betraf, andererseits hatte er sich einen fast kindlichen Volksglauben bewahrt. Seine Spiritualität gestaltete sich undogmatisch, und er glaubte, dass ihn ständig ein guter Geist — so etwas wie ein unsichtbarer Genius — umgebe. Walter Studer hatte bis am Schluss noch so viele Pläne im Köcher, dass er auch mit 100 Jahren ­damit nicht am Ende gewesen wäre. Es könnte sein, dass er so alt wurde, weil er dem Tod keine noch so kleine Eintrittspforte lassen wollte. In gewisser Weise hielt er sich für unsterblich. Womöglich wird er recht behalten mit der Unsterblichkeit, wenigstens mit jener im ­Gedächtnis derer, die sich noch an ihn erinnern werden.

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