«Die Ressourcen entscheiden über die Zukunft des Waldes»

Revierförster Christoph Sütterlin will in Rente gehen und die Betriebsleitung der Forstbetriebsgemeinschaft am Blauen zum Jahreswechsel in neue Hände übergeben. Sütterlin ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen.

Im Endspurt: Christoph Sütterlin gibt die Betriebsleitung auf Ende Jahr in neue Hände. Foto: zvg
Im Endspurt: Christoph Sütterlin gibt die Betriebsleitung auf Ende Jahr in neue Hände. Foto: zvg

Wochenblatt: Welche gesetzlichen Veränderungen braucht es Ihrer Meinung nach für den Wald in den Kantonen Solothurn und Baselland?

Christoph Sütterlin: In beiden Kantonen hinkt die Gesetzgebung der Realität hinterher. Andere Kantone haben das Waldgesetz längst angepasst. Die gezielte Durchmischung des Waldes als Reaktion auf das Buchen-Sterben ist derzeit in den Kantonen Baselland und Solothurn finanziell nicht gesichert. Es gab in den letzten Jahren etliche Massnahmen im Bereich des Jungwuchses. Dieser muss gepflegt werden, und das ist nur möglich mit personellem Aufwand. Diese Ressourcen, die es zu finanzieren gilt, entscheiden über die Zukunft des Waldes. Des Weiteren braucht es Antworten auf die Fragen, wer hat im Wald welche Nutzungs-Rechte? Der Wald wird heute im Freizeit-Bereich bedeutend stärker genutzt als früher. Dies hat Auswirkungen und wir müssen definieren, in welche Richtung es gehen soll.

Es ist bekannt, dass es zwischen den verschiedenen Waldnutzenden zu Konflikten kommt — die Mitarbeitenden des Forstdienstes sind da mittendrin. Wie gehen Sie damit um?

Wir sind keine Waldpolizisten, sondern Forstwarte. Sollte man die polizeilichen Aufgaben im Wald delegieren, dann müsste man dafür eine Ranger-Stelle schaffen — grenzübergreifend über mehrere Forstreviere. Das ist ein politischer Entscheid — die Diskussionen dazu laufen. Der Forstdienst hält sich grundsätzlich aus Streitigkeiten zwischen Bikern, Wanderern, Reitern, Hundeführern, Jägern oder Besuchern einer Grillstelle raus. Uns betrifft aber das zunehmende Missachten unserer Signalisation. Durchgangsverbote während des Holzschlages oder für die Instandstellung eines Weges werden ignoriert, Barrieren einfach zur Seite geschoben. Forstwarte, welche Waldbenutzende zum Anhalten oder zum Umdrehen auffordern, werden beschimpft. Früher waren solche Situationen die Ausnahme, heute erleben wir sie fast täglich, weil die Zahl der Waldbenutzer enorm zugenommen hat. Wir bleiben beharrlich, bewahren aber Ruhe, so unser Credo.

Stösst man dabei menschlich nicht an Grenzen? Bei temperamentvollen Personen können da schon mal die Pferde durchgehen.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass solche Situationen fordernd sind. Die Weisungen dienen ja dem Schutz aller Personen. Die Forstwarte erfüllen im Wald ihre Aufgaben, und diese sind mit gewissen Gefahren verbunden. Die Einschränkungen dienen der Sicherheit, und da ist es nicht ausgeschlossen, dass man Konsequenzen ziehen muss. Grundsätzlich setzen wir auf den Dialog und auf Sensibilisierung. Wir regeln die Dinge unmissverständlich und unbürokratisch.

Der Job eines Forstwarts ist kein Honiglecken. Finden Sie noch genügend Personal?

Bei Ausschreibungen gibt es nicht eine riesige Auswahl an Bewerbungen, das ist so. Im Moment haben wir eine vakante Stelle und die Suche läuft. Wir haben in unserem Forstrevier immer auf die Förderung des Nachwuchses gesetzt und viele Forstwarte ausgebildet. Einige davon sind geblieben oder später zu uns zurückgekehrt. Die Reviere können gewisse Arbeiten auch extern an Unternehmungen vergeben, die sich auf den maschinellen Einsatz im Wald spezialisiert haben.

Im Wald wird die menschliche Arbeit durch Roboter ersetzt?

Beim Holzschlag bringt die Automatisierung sicherlich ihre Vorteile und erhöht die Sicherheit, hinterlässt aber auch entsprechende Spuren. Für den einzelnen Holzschlag an unzugänglichen Stellen braucht es noch immer gutes Handwerk. Menschliches Geschick und ein gutes Händchen sind derzeit vor allem bei der Jungwuchspflege gefragt.

Die in Hofstetten geplanten neuen Grillplätze stossen derzeit auf Kritik. Dies bringe Partygänger in den Wald. Ist die Idee der Lenkungsmassnahme gescheitert?

Nein. Seit wir die Zahl der offiziellen Grillplätze erhöht und diese bewusst platziert haben, gibt es deutlich weniger illegale Feuerstellen. Das erklärte Ziel ist, dass die Waldbesucher die befestigten Wege nicht verlassen — vor allem nicht, um Brennholz zu suchen. Deswegen macht es Sinn, an den Grillplätzen Brennholz zu deponieren. Ich hatte mich dafür starkgemacht, die Mülleimer aus dem Wald zu entfernen. In den allermeisten Fällen geht die Strategie auf: Die Besuchenden nehmen ihren Müll mit und lassen ihn nicht einfach im Wald zurück. Es ist unbestritten, dass die Waldaufenthalte zugenommen haben, dieser Trend hat sich seit 2020 verstärkt. Dies zu ignorieren, wäre wenig hilfreich. Wir müssen damit umgehen. Der Wald steht allen offen.

Sie haben ihr ganzes Arbeitsleben dem Forstdienst gewidmet und die Veränderungen im Wald hautnah erlebt. Zu welchem Fazit kommen Sie?

Im Wald ist Geduld gefragt und es braucht viel Verständnis für die Natur. Alles muss langfristig und in der vielseitigen Wechselwirkung betrachtet werden. Man muss Rückschläge verkraften, sodass man den Mut nicht verliert und weiterhin daran glaubt, dass aus dem zarten Pflänzchen ein starker Baum wird. Ein Revierförster sollte nicht nur für Flora und Fauna, sondern auch für die Menschen ein offenes Ohr haben. Es braucht die Öffentlichkeitsarbeit. Mir lagen die Waldbegehungen mit der Bevölkerung, den Behörden, Politikern, Schulklassen oder Vereinen immer am Herzen.

Sie stehen für den Zusammenhalt. Ihr Forstrevier ist ein Paradebeispiel dafür, wie die interkantonale Zusammenarbeit unter Gemeinden funktionieren kann. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Miteinander reden — gerade wenn es schwierig wird; keine voreiligen Schlüsse ziehen und die Beteiligten an einen Tisch holen und nicht aufhören, nach einem Kompromiss zu suchen. Entscheidend ist auch, dass man den Forstdienst aus dem Politischen raushält. Wir haben eine Kommission, die sich aus Vertretungen der Gemeinden zusammensetzt und die seit ihrer Gründung von Emilio Stöcklin unvoreingenommen präsidiert wird. Er war weder Gemeinderat, noch Bürgerrat und ist auch kein Waldbesitzer. Grundsätzlich hat sich bewährt, dass die Forstbetriebsgemeinschaft am Blauen auf verschiedene Standbeine setzte: auf die Holzwirtschaft für Grossabnehmer und den Verkauf von Cheminée-Holz für Einzelkundschaft, auf die Waldpflege, doch auch auf das Erbringen von Dienstleistungen für Private. Dies hat uns ermöglicht, Jahresgewinne zu erwirtschaften und einen Fonds zu schaffen, den wir nun für die Jungwuchspflege einsetzen können.

 

Christoph Sütterlin

bea. Ein Flair für Wirtschaftlichkeit und ein Herz für die Natur: Christoph Sütterlin ist seit 33 Jahren Revierförster und leitete die Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) am Blauen, welche schweizweit ein Vorzeigemodell ist. Die FBG am Blauen war die erste eigenständige, interkantonale Forstbetriebsgemeinschaft der Schweiz und schreibt jedes Jahr schwarze Zahlen. Sie entstand noch vor 2000 aus den Zusammenschlüssen der Reviere Ettingen, Leimental Ost (Hofstetten, Bättwil und Witterswil) und Leimental West (Metzerlen, Rodersdorf, Rotberg). Später (2017) kam Rodersdorf dazu. Bewirtschaftet werden 1400  ha öffentlicher und 90 ha Privatwald. Die FBG am Blauen ist in der Nordwestschweiz eine wichtige Holz-Lieferantin für die regionalen Heizungsanlagen. Sütterlin weiss das Holz zu vermarkten, legte aber auch grossen Wert auf Naturschutz. Zehn Prozent der Waldfläche sind als Reservate ausgewiesen, es gibt 54 km ökologisch aufgewertete Waldränder und weitere Massnahmen zur Förderung der Biodiversität. 2012 erhielt die Forstgemeinschaft am Blauen den Binding Waldpreis, den höchstdotierten Umweltpreis der Schweiz. Ausgezeichnet wurde die ausgewogene Kombination aus ökonomischer Rentabilität, ökologischem Engagement und gesellschaftlicher Verantwortung.

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