Die Gefühle sprechen lassen
Hunde müssen nicht draussen bleiben: Wer im Zentrum Passwang lebt oder arbeitet, hat die Chance, die Tierliebe zur Verschönerung des Alltags und therapeutisch zu erfahren.

Es ist Alltag im Demenzzentrum in Breitenbach, die Menschen sitzen in ihrem Rollstuhl, oder auf den Stühlen und Bänken im Flur, im Aufenthaltsraum und auf der Terrasse. Sie harren den Dingen, manche wortlos, manche erzählend, manche suchend. Die Mitarbeitenden geben ihr Bestes, strahlen Herzlichkeit aus und wissen, was zu tun ist. In den Gedankengängen der Besucher spielen die Gedanken verrückt. Man versucht, die Gefühle zu deuten. Was verraten die Blicke? Welche Worte werden verstanden? Welche Gesten sind gefragt?
Plötzlich ist es anders. «Hosteen» betritt den Flur, er steht nur da und doch zieht er alle Blicke auf sich. Eine Bewohnerin lächelt, eine andere steht auf und sucht die Nähe des Hundes. Kaum berührt, verfallen beide in Glückseeligkeit, der 60 Kilogramm schwere Bernardiner-Mischling legt sich auf den Boden und die Bewohnerin badet ihre Hände im kuscheligen Fell. Es dauert nicht lange und «Hosteen» hat in der «Abteilung Gempen» auf seine Art Lebensfreude geweckt, wo Gefühle und die nonverbale Kommunikation wichtiger sind als menschliche Worte. Die Wissenschaft versucht das Phänomen – den positiven Einfluss der Tiere auf den Menschen – zu ergründen, der Alltag im Zentrum Passwang lässt es einfach wirken. Für Michael Rosenberg, Leiter des Zentrums Passwang, war schon immer klar, dass es in einem offenen Haus auch Platz für Tiere hat. «Die Tiere spielen im Leben der Menschen eine wichtige Rolle, dies sollte ihnen gerade im Alter und bei Krankheit nicht verwehrt sein.» Ebenso gehöre es zur Motivation von Mitarbeitenden, deren Fähigkeiten für tiergestützte Therapien zu fördern.
«Die Haltung vom Zentrum Passwang hatte mich dazu bewogen, von meiner psyhiatrischen Arbeit in Basel nach Breitenbach zu wechseln und meine langjährige Erfahrung in der tiergestützten Therapie einzubringen», sagt Trix Dominguez. Ihre ersten Tier-Mensch-Projekte kreierte sie als Kind im Basler Zoo, als sie auf den Spaziergängen merkte, wie Kinder und Altersheimbewohner den Kontakt zu den Tieren suchten. Ihre Liebe zu den Haus- als auch zu den Nutztieren sowie die innere Stimme leiteten Dominguez in die richtige Richtung. In Kombination mit der Ausbildung zur Psychiatrieschwester begann sie mit tiergestützter Therapie – «in einer Zeit, in der diese Arbeit mehr Kritiker hatte als Befürworter.»
Ideale Ergänzung
Der Wandel kam und Dominguez wurde Leiterin des Arbeitsbereichs Tierpflege der Psychiatrie Basel. Ihre Erfahrungen aus dem Alltag veranlassten den Wissenschaftler Denis Turner, die Baslerin als Dozentin mit ein zu beziehen im Ausbildungsprogramm für tiergestützte Therapie. In ihrer jetzigen Arbeit als Gruppenleiterin im Zentrum Passwang sieht Dominguez die Tiere als ideale Ergänzung, um die Bedürfnisse der Bewohner wahrzunehmen. «Die Rückbildung der Sprache ist eine der Auswirkungen von Demenz. Die Krankheit raubt die erlernten Fähigkeiten. Umso wichtiger wird die nonverbale Kommunikation – und dabei kann ein gut ausgebildeter Hund mit seinem feinen Gespür den Mitarbeitenden eine Hilfe sein – vorausgesetzt man versteht die Hundesprache, das heisst, was der Hund anzeigt.» Sie habe aber auch schon Schafe oder Kücken mitgebracht und arbeite derzeit an der Ausbildung von Ziegen. Ausserdem leben auch zwei Katzen im Zentrum Passwang. «Die Tierarbeit soll auch einfach den Alltag der Bewohner bereichern und verschönern», sagt Dominguez. «Wenn der Hund mit seinem Ballspiel einer Bewohnerin ein Lächeln ins Gesicht zaubert oder einen anderen Bewohner, der die Bewegung verweigert, zu einem Spaziergang motiviert, dann freut dies alle.» Natürlich bekomme der Hund seine wohlverdienten Pausen, bleibe im Besitz der Mitarbeiterin und komme nicht täglich mit auf die Arbeit. Dennoch sollte der Hund den Bewohnern mehr als nur eine Stunde in Form eines Besuchs zur Verfügung stehen, damit Begegnungen ungezwungen entstehen und Beziehungen wachsen könnten. Auf der anderen Seite brauche es einen Schutz für die Tiere vor Überforderung und klare Regeln für die Tierhalter. Ihre Tiere müssten einen sehr guten Grundgehorsam zeigen, ein ruhiges, ausgeglichenes und menschenfreundliches Wesen haben, sich gerne berühren lassen und die Hunde dürften nicht kläffen, führt Trix Dominguez aus. Interessierten bietet sie ihre Unterstützung und Beratung an.