Wer die Blattern hat, soll zu Hause bleiben

Willi Spaar erforscht die regionale Vergangenheit. Der Breitenbacher Gemeinderat stellt dabei fest, dass die Gemeinden vor 150 Jahren mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten, wie die heutige Gesellschaft.

<em>Fasziniert von der Vergangenheit: </em>Willi Spaar befasst sich ausführlich mit der Geschichte von Breitenbach und Umgebung.Foto: Gaby Walther
<em>Fasziniert von der Vergangenheit: </em>Willi Spaar befasst sich ausführlich mit der Geschichte von Breitenbach und Umgebung.Foto: Gaby Walther

In der Schweiz gibt es keine Impfpflicht, doch haben die Kantone die Möglichkeit, ein Impfobligatorium auszusprechen. Davon machte Breitenbach im Jahr 1871 gebrauch. Im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 17. Januar ist zu lesen: «Wegen Ausbruch der Pockenkrankheit/Blattern in unserer Gemeinde solle jedes Schulkind geimpft werden.» Herausgefunden hat dies Willi Spaar. Geschichte fasziniert ihn. Schon früh begann er, sich mit der Vergangenheit der Region auseinanderzusetzen. Die Freude an historischen Gegebenheiten hat er von seiner Mutter geerbt. Helen Spaar-Stebler half ihrem Sohn, die im Archiv von Breitenbach aufbewahrten Gemeinderatsprotokolle aus den Jahren 1831 bis 1911 in die heutige Schrift zu transkribieren. Die damals 85-Jährige brauchte fünf Jahre, um alle Aufzeichnungen niederzuschreiben. Daraus resultierten rund 3000 handgeschriebene Seiten.

Keinen Zutritt zum Gottesdienst

Willi Spaar ist nun dabei, das Material durchzusehen, zu sortieren und nach Themen zu gliedern. Als Gemeinderat von Breitenbach weiss er, was die Gemeinde bewegt: «Es ist erstaunlich, so viele Parallelen zu finden. Zum Beispiel wollte bereits vor 130 Jahren der Gemeinderat eine Feuerwehrleiter kaufen. Auch damals scheiterte die Anschaffung an den Kosten.» Und auch damals war die Gemeinde beschäftigt mit einer Epidemie. Infolge Ausbruch der Blattern wurde der Oberamtmann und zwei Ärzte zur Gemeinderatssitzung eingeladen. Im Protokoll vom 28. Januar 1871 wurde notiert: «Es soll an jedes Haus, in welchem die Blattern ausgebrochen sind, ein Täfelchen mit der Aufschrift ‹Blatternkrankheit› angebracht werden. Ein Bannwart soll die erwähnten Täfelchen an die betreffenden Häuser anschlagen, und zwar an einer leicht sichtbaren Stelle. Wenn sich jemand aus einer Haushaltung, in der Blattern herrschen, ausserhalb der Wohnung befindet, so soll derselbe sofort nach Hause gewiesen werden. Der Bannwart soll täglich während des Gottesdienstes vor der Kirchentür Wache stehen und die betreffenden Personen, in deren Familien Blattern ausgebrochen sind, sofort zurückzuweisen.»

Kleinlützel hatte mehr Einwohner als Breitenbach

Nebst den Protokollen sind für Willi Spaar die Jahrbücher «Dr Schwarzbueb», Dorfbücher und Zeitungsausschnitte wichtige Quellen. Es ist eine Fülle an Material, die sich bei ihm zu Hause stapelt. Dabei zeigt sich, dass auch die umliegenden Gemeinden mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten. Die Region war arm, die Menschen lebten hauptsächlich von der Landwirtschaft. Die Industrialisierung begann erst ab 1900. Dabei war Kleinlützel erfolgreicher und die Einwohnerzahl damals grösser als jene von Breitenbach. «Die Eisenbahnlinie hätte auch ins Thierstein gezogen werden sollen, Anteilscheine wurden bereits gekauft, doch das Projekt kam nicht zustande», erzählt Spaar weiter. Die vielen Informationen möchte der ehemalige Bankleiter und heutige Pensionär in einem Buch zusammentragen. Im Moment ist er noch unschlüssig, wie er das angehen soll. Sein Patenkind Chantal Humair wird ihm mit «Tipps und Tricks» zur Seite stehen. Es eilt ihm aber nicht. Er habe einfach Freude am Forschen. Dabei entdeckt er immer wieder Kurioses, wie zum Beispiel der folgende Protokollauszug: «Laut dem Amtsgericht Dorneck-Thierstein vom 15.6.1870 schuldet Louise S. von da als Strafe wegen fünfmaliger ausserehelicher Geburt Franken 112.50 der löblichen Gemeinde Breitenbach.»

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