Ursachen von Rassismus

Wie entstehen Rassismus und Menschenfeindlichkeit? In seinem wissenschaftlich-philosophischen Buch vereint Matthias Bertschinger Erkenntnisse der Philosophie, Soziologie, Theologie und Psychologie. Zu stark seien die einzelnen Disziplinen nur auf ihre eigene Sichtweise beschränkt, stellt der Jurist fest.

<em>«Freiheit und Krisis»: </em>Matthias Bertschinger zeigt den Flyer zum Buch, welches am 18. Dezember erscheint.Foto: Gaby walther
<em>«Freiheit und Krisis»: </em>Matthias Bertschinger zeigt den Flyer zum Buch, welches am 18. Dezember erscheint.Foto: Gaby walther

Die Annahme der Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» vor zehn Jahren machte den Juristen Matthias Bertschinger ratlos: «Auch für Rechtsetzung bräuchte es eine Begründungspflicht. Beim Verbot von Minaretten fehlte eine sachliche Begründung. Dieses Verbot stellt eine rechtstatsächliche Diskriminierung von Menschen einer bestimmten Religionszugehörigkeit dar.» Die Zäsur dieser Initiative bewog Bertschinger, sich verstärkt mit Rassismus und Menschenfeindlichkeit auseinanderzusetzen. Entstanden ist das 550 Seiten dicke Buch «Freiheit und Krisis – Psychoanalyse des Autoritarismus und psychoanalytische Rechtsanthropologie».

Freiheit steht dabei für Offenständigkeit, Vertrauen, Liebe oder Staunen, die jedoch Kontrollverlust, Krisis und Tod zur Kehrseite haben. Mit «Tod» ist demnach einer von zwei Aspekten einer «namenlosen» Grunderfahrung gemeint. Diesen Aspekt versucht der Mensch mit Hilfe seiner Ichbezogenheit verzweifelt von sich fernzuhalten, verliert dabei aber die Freiheit als solche. Soziale Erfahrungen, Erziehung und Zufälle entscheiden, wie der Einzelne mit dieser Grunderfahrung umgeht. Wird sie nicht reflektiert und integriert, sondern verdrängt und werden dabei auftretende Gefühle abgewehrt, führt dies zur Projektion dieses Namenlosen, Bedrohlichen auf Fremde und Schwache. «Der Bezug zur Theologie leuchtet hier unmittelbar ein», so der Autor.

Bertschinger zeigt in seinem Strukturmodell der Psyche, wie Philosophie, Psychoanalyse und eben auch Theologie miteinander verbunden sind. Sodann untersucht er die Besonderheiten der einzelnen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Fremdenfeindlichkeit, Schwachenfeindlichkeit, Kritik- und Intellektuellenfeindlichkeit (wozu der Antifeminismus gehört), Homosexuellenfeindlichkeit und die Verachtung der Frau unterscheiden sich in ganz bestimmten Hinsichten voneinander. In der Menschenfeindlichkeit und im Hass zeigen sich die Angst-, Scham- und Schuldabwehr.

Bertschinger betont, dass er nicht etwas Neues entdeckt habe, sondern die Theoreme und Ansätze aus den verschiedenen Disziplinen Philosophie, Soziologie, Theologie und Psychoanalyse in einer Gesamtschau zusammenführte. So kommen in seinem Werk zahlreiche Grössen wie Habermas, Kant, Adorno oder Arendt zu Wort. Seine Analyse sei in sich stimmig und rund. Das Buch hält sich aber mit Ratschlägen zurück. Bertschinger möchte einen Bewusstseinsprozess in Gang bringen. «Weltweit erstarken nationalistische, autoritäre, reaktionäre, faschistoide, chauvinistische und antiaufklärerische Bewegungen, die sich alle durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auszeichnen», schreibt Bertschinger und fragt: «Wie muss eine Gesellschaft beschaffen sein, damit Auschwitz nicht mehr möglich ist?» Freiheit sei eben keine Wohlfühloase, so Bertschinger. Die psychische Dimension sollte zur Sprache kommen, damit eine Gesellschaft die Fallen sieht, in die sie geraten kann. Der Psychiater Daniel Hell schreibt in seinem Geleitwort zum Buch: «In der psychoanalytischen Fundierung der Rechtstheorie sieht Bertschinger Potenzial für die Offenheit der Gesellschaft. Die offene Gesellschaft setzt das Individuum aus und treibt es dadurch, ohne es zu wollen, in die haltgebenden Strukturen des Autoritarismus.»

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