Ukrainische Schicksale auf neuer Website
In Laufen und Umgebung leben viele Flüchtlinge aus der Ukraine. Sie verstecken sich nicht, im Gegenteil: «Die Leute sollen unsere Erlebnisse und Tragödien kennenlernen», meint eine besonders engagierte Ukrainerin.

Aufgewachsen ist Nataliia Smykalova in Bachmut (Region Donezk). Nach dem Einmarsch der russischen Armee 2014 flüchtete sie mit ihrem Ehemann aus dem damals besetzten Donezk nach Kyjiw (offizielle Schreibweise für Kiew). «Mit Beginn der grossflächigen Invasion holte ich meine Mutter aus meiner Heimatstadt Bachmut nach Kyjiw», erklärt die Ukrainerin. Im Osten der Ukraine herrschte Krieg. Man richtete sich in Kyiiw ein, bis 2022 erneut Krieg ausbrach, wesentlich heftiger, zerstörender, vernichtender.
Nataliia brauchte für ihre Mutter Nadiia, die sich aufgrund ihres Krebsleidens das linke Bein gebrochen hatte und im Spital weilte, unbedingt Hilfe. «Wegen der ständigen Angriffe auf medizinische Einrichtungen konnte ich sie dort nicht mehr in Sicherheit wissen», sagt Nataliia, die sich also entschloss, ihre Mutter an einen sicheren Ort zu bringen.
«Wir sind dankbar»
Ein völlig unbekannter Freiwilliger lud Nataliia und Nadiia im Krankenbett in einen Bus. Nataliias Ehemann blieb zurück in Kyiiw. Eine lebensbedrohliche, abenteuerliche Reise ins Ungewisse begann. Nach zwei Tagen Fahrt, am 13. Dezember 2022, erreichten die beiden Flüchtlinge Basel. Sie erhielten Asyl (Status S) und Mutter Nadiia wurden eine fachgerechte Behandlung und Therapie zugesprochen. «Wir sind der Schweiz sehr dankbar für all das», erklärt Nataliia bei der Begegnung mit dieser Zeitung. Die beiden konnten sich in Laufen niederlassen, «wo zurzeit rund 70 ukrainische Familien und einige Einzelpersonen leben», informiert Uta Scherer, Betreuerin der ukrainischen Flüchtlinge im Laufental. Inzwischen geht es Nadiia besser. Sie kann sich mithilfe von Krücken bereits wieder selbstständig bewegen. Die 37-jährige Nataliia findet nun auch wieder etwas Zeit, ihrem Beruf als Fotografin nachzugehen. Mehr noch aber beschäftigen sie, seit sie hier ist, die menschlichen Schicksale anderer Ukrainerinnen und Ukrainer.
«Nataliia Smykalova wollte, dass die Menschen hier nicht nur von der Politik und der materiellen Zerstörung durch Krieg erfahren, sondern auch die Geschichten der betroffenen Menschen kennenlernen», erklärt Uta Scherer. Nataliia begann, mit den Ukrainerinnen und Ukrainern in Laufen zu reden, führte Interviews und schrieb ihre Schicksale auf. In Ukrainisch und in kyrillischer Schrift. Das Ziel war, mit diesen Geschichten eine Website mit Bildern von ihr als Fotografin und anderen Bilddokumenten zu veröffentlichen. «Darin sollen die Leiden und die Verbrechen an der ukrainischen Zivilbevölkerung dokumentiert werden», erklärt Nataliia.
Seit Anfang dieses Jahres ist diese Website mit rund einem Dutzend Geschichten online. Dank künstlicher Intelligenz (ChatGPT) sind darin alle Texte praktisch perfekt auf Deutsch übersetzt.
Second-Hand-Markt und ukrainische Spezialitäten
Die ukrainische «Community» in Laufen ist sehr aktiv. Sie hilft beim Second-Hand-Store «Alcatraz» an der Hinteren Gasse 48 (Eingang ehemaliges Gefängnis, Keller) tatkräftig mit. Dieser steht gegen Armut und für Nachhaltigkeit. Immer dienstags von 18.15 bis 19.15 Uhr können hier gut erhaltene Artikel gespendet werden. Alle Personen aus dem Laufental, die Sozialhilfe beziehen, dürfen diese Spenden gratis abholen. «Wegen wachsender Beliebtheit werden nun grössere Räume fürs ‹Alcatraz› gesucht», sagt Uta Scherer, die das Projekt im Auftrag der reformierten Kirche Laufental leitet.
Gut besucht ist der Stand am Kreisel beim Soldatendenkmal, wo Ukrainerinnen und Ukrainer jeden ersten und dritten Samstag im Monat von 10 bis 16 Uhr verschiedene ukrainische Spezialitäten anbieten. «Ein beliebter Treffpunkt für ukrainische Flüchtlinge, aber auch für die ganze Bevölkerung», erklärt Uta Scherer.
Website: https://tinyurl.com/zerstorteleben