Mama – die Einwanderin aus Südtirol
Linard Candreia hat schon einige Bücher geschrieben. Sein fünftes ist auch sein persönlichstes. Der Laufner Lehrer und Stadtrat beschreibt die Geschichte seiner Mutter Hanna in zwei Sprachen und in gut verdaulichen Portionen.

Ein Rätsel, wie ein Mensch, der am Gymi Laufen unterrichtet, und im Laufner Stadtrat als Vizepräsident mitwirkt, noch dazu kommt, Bücher zu schreiben, welche aufwendiger Recherchen bedürfen, die nur mit häufiger Reisetätigkeit zu bewerkstelligen sind. Linard Candreia bringts gleich auf den Punkt: «Schreiben ist meine Leidenschaft, und in alten Geschichten zu graben, meine Passion», sagt er schmunzelnd, um gleich anzufügen, «und somit eine wohltuende Abwechslung zu meinem Alltag.» Für das neue Werk, welches er in Zusammenarbeit mit dem romanischen Verlag Chasa Editura Rumantscha verwirklichen konnte, legte sich der vor zehn Jahren nach Laufen gezogene Bündner dennoch einen strikten Arbeitsplan zurecht. Der Samstagmorgen war in den letzten Jahren für «Hanna, die Südtirolerin» reserviert. Die Geschichte seiner Mutter, welche als 17-Jährige von Matsch nach dem bündnerischen Stierva reisen musste, um dort als Magd etwas Geld für ihre 13-köpfige Familie zu verdienen.
Linard Candreia erzählt das harte und abwechslungsreiche Leben seiner inzwischen 76-jährigen Mutter in Kurzgeschichten, welche durchaus auch einzeln gelesen reizvoll und informativ daherkommen. Der Leser, die Leserin verspürt die Leidenschaft und die Nähe des Autors zu den beschriebenen Personen bei jedem Satz. Ein Glücksfall, dass Candreia stellvertretend für unzählige ähnliche Schicksale in Familien aus Südtirol zwischen 1930 und 1960 jenes seiner Mutter beschreiben durfte. So konnte der Sohn in regem Kontakt immer wieder Nuancen und Details anbringen, welche wohl einem fremden Autor verborgen geblieben wären.
Jede einzelne Episode im 270-seitigen Buch wirkt authentisch. Von den Erlebnissen der Jugendzeit auf dem Murahof in der Lehrerfamilie Pircher-Salutt in Matsch über den Tag der Abreise nach Salouf und Stierva bis hin zur Vermählung mit Tgetg, dem Sohn der Familie, wo Hanna diente, und schliesslich zum erfolgreichen Betrieb eines "Garni" in Tiefencastel. Dort, wo übrigens auch Sohn Linard zusammen mit seinen drei Geschwistern aufgewachsen ist.
Candreia hat das Buch zuerst in Deutsch geschrieben. Die Übersetzung in Romanisch – im Dialekt Surmiran –, welche der Autor jeweils auf den linken Buchseiten platzierte, bietet auch «Nur- Deutsch-Lesern» eine interessante Vergleichsmöglichkeit. Vielleicht sogar eine Motivation, sich mit der vierten Landessprache etwas intensiver auseinanderzusetzen.