Für einmal ging es nicht um Start-up, sondern um Fuckup
Zerbrochene Freundschaften, Ehekrise und Burn-out — nicht jede Geschäftsidee führt zum Erfolg. An der Fuckup Night in Zwingen erzählten drei Jungunternehmer ehrlich und emotional, weshalb sie gescheitert sind.

«Bis vor eineinhalb Jahren war ich Krevettenbauer», erzählte Rafael Waber an der Fuckup Night in der Kapelle in Zwingen. Der Business Park Baselland hatte zu diesem aussergewöhnlichen Anlass eingeladen und rund 60 Interessierte waren gekommen. Der Business Park unterstützt Menschen, die sich selbstständig machen möchten. Dass dies nicht so einfach ist, von zehn Start-ups sieben scheitern, man sich aber nicht davon entmutigen lassen sollte, sondern daraus lernen kann, zeigte der Abend eindrücklich. Drei Personen hatten sich bereit erklärt, von ihrem Scheitern zu erzählen.
Hochwertige, nachhaltige Shrimps
Raphael Waber, ursprünglich als Lehrer, später im Marketing tätig, verfolgte zusammen mit einem Kollegen die Vision, hochwertige, nachhaltige Shrimps in der Schweiz zu züchten — lokal, frisch, ohne Antibiotika und mit Rücksicht auf Umwelt und Tierwohl. «Vier Jahre arbeiteten wir 1000 Stunden ohne Umsatz an unserem Projekt, in das wir anfangs 300000 Franken steckten», erzählte Waber. Irgendwann wurden die Medien auf das innovative Projekt aufmerksam, Investoren meldeten sich und 2019 ergab sich die Möglichkeit, eine Swiss-Shrimp-Anlage in Rheinfelden aufzubauen — ein ambitioniertes Projekt, das innovative Aquakultur mit Abwärmenutzung eines Salzwerks verband. 10 Mio. Franken wurden investiert, weitere 10 Mio. für den Ausbau. Doch technische Fehler, langsames Shrimp-Wachstum, die Coronapandemie und massive Umsatzeinbrüche verhinderten den Erfolg. «Mir ging es schlecht. Ich fühlte mich verantwortlich für die Aktionäre, hatte mich die letzten zehn Jahre nur noch auf das Geschäft fokussiert, sodass auch meine Ehe darunter litt. Schliesslich musste die Swiss Shrimp AG im letzten Monat die Liquidation anmelden», erklärte Waber.
Online-Service für Herrenanzüge
Insolvent auslösen musste auch Lorenz Pöhlmann. Mit seinem besten Freund gründete er Adretto, einen Online-Service für Herrenanzüge. Obwohl das Geschäft gut anlief, scheiterte er. «Ich rate dringend davon ab, mit einem Freund, der nicht die gleichen Ambitionen hat und sich zu 150 Prozent in das Geschäft einbringen will, ein Unternehmen zu gründen», warnte Pöhlmann. «Zwischen uns entstanden so grosse Meinungsverschiedenheiten, dass wir Anwälte einschalten mussten und heute nicht mehr miteinander sprechen.» Der Streit, strategische Fehlentscheidungen und Geldsorgen belasteten ihn sehr. Als seine Mutter unverhofft starb, habe ihn dies geerdet, und drei Wochen später habe er das Unternehmen aufgelöst. Das sei ein guter Entscheid gewesen. Er empfiehlt, ein Start-up mit zwei bis fünf Personen zu gründen — diese Grösse bevorzugen Investoren — und auf eine gute Auswahl der Mitarbeitenden Wert zu legen.
Acht Stunden Schlaf mindestens
Der dritte Referent des Abends gründete zwar erfolgreich drei Unternehmen, scheiterte aber an sich selbst. «Mein Thema ist nicht lustig. Burn-out ist keine Modeerscheinung. Ich habe in den letzten zehn Jahren mindestens 300 Mal geweint», erzählte Laurent Decrue. Er erklärte, wie sich ein Burn-out anfühlt und was das mit einem macht. Er empfahl, bei ersten Anzeichen professionelle Hilfe zu holen. Heute sei er nicht mehr die gleiche, lebenslustige Person wie vor 15 Jahren. 18 Monate habe es gedauert, um aus diesem Tief zu kommen. Er habe gelernt, auf sich zu achten. Weniger als acht Stunden Schlaf sei nicht verhandelbar und am Wochenende arbeite er nicht.
Die drei Referenten wie auch Michele Matt, Geschäftsführer des Business Park und Gründer von mycamper, sind sich einig, dass eine Unternehmensgründung eine Achterbahnfahrt mit Hoch und Tief bedeute und es wichtig sei, auf sich und seine Nächsten Acht zu geben.
Fuckup Nights auf der ganzen Welt
Die Fuckup Nights Basel gegründet hat Jutta Jerlich. Sie und Tabea Ganser forderten das Publikum auf, ihre Eindrücke auf Zettel aufzuschreiben und an die Wand zu heften. Auch beim anschliessenden Apéro hatten die Anwesenden die Möglichkeit, sich auszutauschen und Networking zu betreiben. Nebst den Erlebnisberichten ist dieser Austausch einer der Gründe für den Erfolg der Fuckup Nights. Die globale Veranstaltungsreihe begann 2012 in Mexiko. Heute finden Fuckup Nights in über 260 Städten in mehr als 60 Ländern statt. Gründerinnen, Unternehmer und Fachpersonen berichten jeweils in kurzen Vorträgen (10 bis 15 Minuten) öffentlich über ihre beruflichen Fehltritte. Ziel dabei: Mut zum Scheitern geben und konkrete Learnings mit nach Hause nehmen.